BMF, Schreiben v. 22.10.2008, IV C 1 - S 1980 - 1/08/10011, BStBl I 2008, 960
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG im Einzelfall auch dann Anwendung finden kann, wenn weder eine besondere Sachkunde noch eine Mindestanlagesumme von 100.000 Euro oder mehr dem Gesetz, der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder den Vertragsbedingungen zu entnehmen ist, Folgendes:
Durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl 2007 I S. 3150) wurde die Regelung des § 18 Abs. 2a in das Investmentsteuergesetz (InvStG) eingefügt. Danach ist auf die Veräußerung oder Rückgabe von Anteilen an inländischen Spezial-Sondervermögen, inländischen Spezial-Investment-Aktiengesellschaften oder ausländischen Spezial-Investmentvermögen, die nach dem 9.11.2007 und vor dem 1.1.2009 erworben werden, bereits § 8 Abs. 5 InvStG in der in § 18 Abs. 2 Satz 2 InvStG genannten Fassung mit Ausnahme des Satzes 5 anzuwenden (§ 18 Abs. 2a Satz 1 InvStG). Dies gilt nach § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG entsprechend für die Rückgabe oder Veräußerung von Anteilen an anderen Investmentvermögen, bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Vertragsbedingungen die Beteiligung natürlicher Personen von der Sachkunde des Anlegers abhängig oder für die Beteiligung eine Mindestanlagesumme von 100.000 Euro oder mehr vorgeschrieben ist.
Die Vorschrift soll verhindern, dass aus der Kombination der Nichtsteuerbarkeit im Investmentvermögen thesaurierter Veräußerungsgewinne (Fondsebene) und dem Erfordernis einer Veräußerung innerhalb der Jahresfrist für die Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen im Privatvermögen (Anlegerebene) im Vergleich zur Direktanlage ungerechtfertigte Steuervorteile erzielt werden können. Betroffen sind nicht alle Anteile an in- und ausländischen Investmentvermögen. Die Regelung zielt insbesondere nicht auf sog. Kleinanleger ab, die sich an typischen Publikumsfonds beteiligen. Die Regelung erfasst vielmehr die Fälle, bei denen eine natürliche Person aus einem in- oder ausländischen Spezial-Investmentvermögen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Dies ist über die Einschaltung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft möglich. Daneben erfasst die Regelung Beteiligungen von natürlichen Personen an anderen Investmentvermögen, bei denen entweder eine besondere Sachkunde der Anleger oder eine Mindestanlagesumme in Höhe von mindestens 100.000 Euro vorgeschrieben ist. Unerheblich ist dabei ausweislich der Gesetzesbegründung, ob diese Voraussetzungen in einem staatlichen Gesetz oder anderweitig niedergelegt sind. Ebenso unbeachtlich ist es, ob es sich um ein in- oder ausländisches Investmentvermögen handelt.
In der Praxis hat sich die Frage gestellt, ob und unter welchen Voraussetzungen § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG im Einzelfall auch dann Anwendung finden kann, wenn weder eine besondere Sachkunde noch eine Mindestanlagesumme von 100.000 Euro oder mehr dem Gesetz, der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder den Vertragsbedingungen zu entnehmen ist. Für die Anwendung des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG gilt insoweit Folgendes:
Ist das wesentliche Vermögen eines Investmentvermögens einer kleinen Anzahl von bis zu zehn Anlegern zuzuordnen, kann für diejenigen Anleger, deren Anlagesumme sich tatsächlich auf einen Betrag in Höhe von mindestens 100.000 Euro beläuft, sowohl unterstellt werden, dass eine Mindestanlagesumme in Höhe von 100.000 Euro vorausgesetzt ist, als auch, dass von diesen Anlegern eine besondere Sachkunde im Sinne von § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG gefordert wird. Gegenteilige Vereinbarungen bleiben dabei aufgrund der Überlagerung durch die tatsächlichen Umstände außer Betracht.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Normenkette
InvStG § 18 Abs. 2a
Fundstellen
BStBl I, 2008, 960