Rz. 70
Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (Abs. 2 Satz 3). Die Vorschrift knüpft inhaltlich-systematisch an Abs. 1 und Abs. 1a (Aufzeichnungspflichten), Abs. 2 Satz 1 (Verletzung dieser Pflichten) sowie Abs. 2 Satz 2 (Verhältnismäßigkeit) an.
Rz. 71
Maßgebend für die Begrifflichkeit "Arbeitsentgelt" ist § 14. Arbeitsentgelt sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1). Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen (§ 14 Abs. 1 Satz 2). Zu beachten ist auch § 14 Abs. 2 Satz 2, der seit dem 1.8.2002 im Falle einer illegalen Beschäftigung (Definition in § 1 Abs. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) die Vereinbarung eines Nettoarbeitsentgelts fingiert.
Rz. 72
Wie in Abs. 2 Satz 2 ("soweit") gilt auch im Anwendungsbereich des Abs. 2 Satz 3, dass die Behörde nicht allumfassend zu schätzen befugt wird, sondern nur soweit sie die maßgebenden Daten nicht ermitteln kann.
Rz. 73
Sind die Voraussetzungen der Vorschrift (Abs. 2 Satz 3 HS 1) erfüllt, ist der Weg in die Rechtsfolge frei. Die Behörde hat dann zu schätzen. Das ist alternativlos. Die Schätzung kann sich u. a. am Umsatz des Arbeitgebers orientieren. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mitzuberücksichtigen (Abs. 2 Satz 4). Das meint den ortsüblichen Tariflohn und bezieht Umstände wie tarifliche Arbeitszeit sowie die in der jeweiligen Branche geleisteten Überstunden ein. Fehlt es an einem Tariflohn, muss das ortsübliche Arbeitsentgelt festgestellt werden. Dieses bemisst sich nach den Entgelten für gleiche oder ähnliche Arbeitsleistungen in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen am betreffenden Ort unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Berechtigten (Lebensalter, Berufserfahrung, Familienstand und Kinderanzahl). Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Rz. 74
Das ortsübliche Arbeitsentgelt ist lediglich mitzuberücksichtigen. Demzufolge können eine Vielzahl weiterer Faktoren in die Schätzung einfließen. So kann sich die Schätzung am Umsatz oder Gewinn des Arbeitgebers orientieren. Ggf. kann ein Gutachten eingeholt werden. Allerdings kommt eine Schätzung nicht in Betracht, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (BGH, Urteil v. 17.12.2014, VIII ZR 89/13; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.4.2016, L 2 R 456/15).