Rz. 105
Die jeweils in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 9 genannte Tätigkeit muss zur Auslösung des Versicherungspflichttatbestandes tatsächlich ausgeübt werden (vgl. zu den Besonderheiten bei der Ausübung der Handwerkstätigkeit die Komm. unter Rz. 73 ff. – Ausübung der selbstständigen Handwerkertätigkeit). Nur wenn die jeweilige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird und auch nicht beendet ist, besteht Versicherungspflicht; ist die Tätigkeit in einem rentenrechtlich relevanten Maße "unterbrochen", scheidet Versicherungspflicht (für diese Zeit) aus.
Rz. 106
Da die Rentenversicherungsträger grundsätzlich im Wege der Bescheidung die Versicherungspflicht festsetzen, treffen die Leistungsträger regelmäßig nach den üblichen Beweislastregeln auch die Beweislast, dass die Tätigkeit ausgeübt, nicht unterbrochen und auch nicht beendet worden ist.
2.14.1 Beginn der Tätigkeit
Rz. 107
Die Versicherungspflicht beginnt (erst) mit der tatsächlichen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit (GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand: 20.9.2019, Anm. 3.2.1), soweit – zu diesem Zeitpunkt – die weiteren erforderlichen Voraussetzungen des jeweiligen Versicherungspflichttatbestands der Nr. 1 bis 9 erfüllt sind.
Rz. 108
Die zu einer Versicherungspflicht führende Aufnahme einer selbstständigen "Tätigkeit" ist dabei nicht erst dann anzunehmen, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit im engeren Sinne begonnen wird, wenn also z. B. Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden. Vielmehr können auch Vorbereitungshandlungen, die nach den Umständen bereits "Außenwirkung im Geschäftsverkehr" entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind, als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden (BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 R 3/12 R, Rz. 24).
Rz. 109
Der bloße Einsatz von Kapital hingegen stellt noch keine handwerkliche Tätigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 dar (zutreffend SG Neubrandenburg, Urteil v. 19.10.2006, S 4 RJ 109/04).
Rz. 110
Nicht maßgeblich ist daher der Erlasszeitpunkt des Feststellungsbescheides, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wird. Eine verspätete Meldung nach § 190a ist daher unschädlich. Durch die Meldepflicht soll der versicherungspflichtige Selbstständige gerade vor hohen Nachforderungen von rückständigen Pflichtbeiträgen geschützt werden (vgl. BT-Drs. 14/4375 S. 55); die Meldung an sich hat aber gerade keine konstitutive Wirkung für die Versicherungspflicht.
Rz. 111
Eine Ausnahme gilt dort, wo der Gesetzgeber der Meldung selbst eine konstitutive Wirkung eingeräumt hat. Dies ist z. B. bei der Versicherung von Künstlern und Publizisten (Nr. 5) der Fall. Hier hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 KSVG geregelte, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung erst mit dem Tag beginnt, an dem die Meldung des Versicherten nach § 11 Abs. 1 KSVG eingeht (vgl. zu einer entsprechenden Fallkonstellation auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.3.2007, L 13 R 2395/06, Rz. 20; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 17.1.2007, L 6 R 155/06, Rz. 32; so auch die Rechtspraxis der DRV in GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand: 7.12.2023, Anm. 8.4 und 16.1). Allerdings besteht aufgrund einer möglichen Mehrfachversicherung durchaus die Möglichkeit, dass ein Künstler auch dem Versicherungstatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 unterfällt, soweit er als Lehrer i. S. dieser Regelung tätig ist. Deshalb sind selbstständige Musiklehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, nach § 2 Satz 1 Nr. 1 in der Rentenversicherung so lange versicherungspflichtig, solange eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht begonnen hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.3.2007, L 13 R 2395/06).
Rz. 112
Für den Beginn der Versicherungspflicht kam hingegen eine entsprechende Anwendung des § 7b SGB IV in der noch bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung (damals noch mit dem Regelungsgegenstand: Beitragsrückstände) nicht in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 24.8.2007, L 4 R 6366/06). Diese Regelung sah eine Versicherungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung vor.
Rz. 113
Bei einem Beginn der Versicherungspflicht ist nach § 300 auch die jeweilige Gesetzeslage zu beachten. Eine Versicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbstständige nach i. S. d. Nr. 9 tritt daher frühestens ab dem 1.1.1999 ein.
Rz. 114
Anhaltspunkt für die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit kann der Vertrag sein, den der Selbstständige mit dem Kooperationspartner abgeschlossen hat. Dies stellt aber nur den ersten Anhaltspunkt dar.
Rz. 115
Es kommt vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse an, sodass ein abweichender Beginn von einem vertraglich niedergelegten Beginn denkbar ist. Die Rentenversicherungsträger sind für die Aufnahme der Tätigkeit, die durchgehende Ausübung der Tätigkeit und ggf. die Beendigung der...