Rz. 13
Die Höhe der Rente ist nach den Nr. 1 bis 3 davon abhängig, für welchen Zeitabschnitt die Rente gewährt wird.
2.2.1 Rente im Sterbevierteljahr (Nr. 1)
Rz. 14
Gemäß Abs. 2 Nr. 1 beträgt die Rente im Sterbevierteljahr 2/3 des für die Rentengewährung an den verstorbenen Versicherten maßgeblichen Jahresarbeitsverdienst (JAV [der Vollrente]). Die Einkommensanrechnung nach Abs. 3 findet während dieser Zeit nicht statt.
Rz. 15
Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten daher für diese Übergangszeit von 3 Monaten – das sog. Sterbevierteljahr – eine deutlich höhere Rente als in der Folgezeit. Damit soll die Witwe bzw. der Witwer in der Übergangszeit finanziell abgesichert werden. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich im Rentenrecht beim sog. Rentenartfaktor i. S. d. § 67 Nr. 5 SGB VI. Beide Regelungen verfolgen einen gleichgelagerten Zweck. Sinn der höheren Rente für das Sterbevierteljahr liegt darin begründet, dass sich für den überlebenden Ehegatten durch den Tod des Versicherten und durch die Umstellung auf neue Lebensverhältnisse ggf. Mehraufwendungen ergeben (vgl. für die rentenrechtliche Parallelvorschrift GRA der DRV zu § 67 SGB VI, Stand: 22.6.2016, Abschnitt 3.2); aber es sollen auch besondere Belastungen durch den Tod des Ehepartners abgefedert werden, wie z. B. Beerdigungskosten. Unerheblich ist, ob während dieser Zeit dem Grunde nach Anspruch auf kleine oder große Witwenrente besteht.
2.2.2 Kleine Witwen-/Witwerrente (Nr. 2)
Rz. 16
Falls die weitergehenden Voraussetzungen nach Abs. 2 Nr. 3a bis 3c nicht erfüllt sind, beträgt die Rente 30 % des JAV. Sie ist auf maximal 24 Monate begrenzt, soweit nicht die Übergangsregelung des § 218a Abs. 1 eingreift.
2.2.3 Große Witwen-/Witwerrente (Nr. 3)
Rz. 17
Die Rente i. H. v. 40 % des JAV (der Vollrente) soll einer besonderen Bedarfssituation entsprechen und wird deshalb an die Erfüllung weiterer Voraussetzungen geknüpft. Die höhere Rente wird nach Maßgabe von § 73 Abs. 1 nach Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen erfüllt werden, gewährt. Sie fällt nach § 73 Abs. 2 nach Ablauf des Monats weg, in dem die Voraussetzungen entfallen sind.
2.2.3.1 Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes (Abs. 2 Nr. 3a)
Rz. 18
Das Kind muss Anspruch auf Waisenrente nach § 67, also in der Unfallversicherung (nicht in der Rentenversicherung) waisenrentenberechtigt sein; es muss nicht Waisenrente beziehen oder bezogen haben. Die Waisenrentenberechtigung kann nach § 67 Abs. 3 Nr. 2 unter den dort genannten Voraussetzungen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bestehen. Die Voraussetzung des Erziehens ist jedoch nur bis zum Eintritt der Volljährigkeit gegeben (BSG, Urteil v. 30.8.1967, 4 RJ 43/67). Die Eltern des Kindes oder ein Elternteil (dann Halbwaisenrente) müssen durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zu Tode gekommen sein.
Rz. 19
Die Witwe, die ein Kind erzieht, welches nicht von dem verstorbenen Versicherten abstammt, hat keinen Anspruch auf die große Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil dieses Kind nicht waisenrentenberechtigt ist. Sie hat wohl Anspruch auf große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI.
Rz. 20
Die Witwe bzw. der Witwer muss das waisenrentenberechtigte Kind erziehen. Erziehung ist die Sorge für die sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes; sie ist der Inbegriff aller Maßnahmen, durch die das Kind zur Mündigkeit (Erwachsensein) gelangen soll (BSG, Urteil v. 21.9.1983, 4 RJ 83/82). Dementsprechend muss die Witwe bzw. der Witwer erziehungsberechtigt sein. Dies ist nach der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt. Die erhöhte Waisenrente soll in dieser Situation pauschal den erhöhten Bedarf decken, der dadurch entsteht, dass die Witwe bzw. der Witwer wegen der Erziehungsaufgaben nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Rz. 21
Ob das waisenrentenberechtigte Kind durch die Witwe bzw. den Witwer erzogen wird, ist problematisch, wenn das Kind auswärtig untergebracht ist, wie z. B. im Internat, bei den Großeltern oder sonstigen Verwandten.
Entscheidend ist dann, ob konkrete Erziehungsmaßnahmen, z. B. Beeinflussung der Internatsleitung (BSG, Urteil v. 29.3.1978, 5 RJ 4/77 mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 30.8.1967, 4 RJ 43/67, und Urteil v. 26.11.1970, 12 RJ 368/68) möglich sind oder ob Erziehungsmaßnahmen von Großeltern oder sonstigen Verwandten nur gemeinsam mit der Witwe, dem Witwer getroffen werden. Das BSG (Urteil v. 11.3.1982, 5b/5 RJ 150/80 mit Hinweis auf das Urteil v. 21.2.1980, 5 RJ 58/78) hat unabhängig von einer räumlichen Trennung den Erziehungsbegriff i. S. e. faktischen Einwirkung interpretiert.
Rz. 22
Die Voraussetzung des Erziehens entfällt dann, wenn eine minderjährige Waise verheiratet, geschieden oder ihrerseits verwitwet ist. Gemäß § 1633 BGB beschränkt sich die Personensorge für einen Minderjährigen, der verheiratet ist oder war, auf die Vertretung in den persönlichen Angeleg...