Rz. 31e
Abgesehen von einzelnen inzwischen eingeführten Listen-Berufskrankheiten, die synkanzerogene Wirkungen berücksichtigen (z. B. BK Nr. 4114 der Anlage 1 zur BKV), ist die Synkanzerogenese keine besondere Berufskrankheit. Sie ist in der Berufskrankheitenliste nicht gesondert aufgeführt. Vielmehr ist darunter zu verstehen, dass eine Krebserkrankung durch die Arbeitsstoffe mehrerer Listen-Berufskrankheiten hervorgerufen wurde, die im Zusammenwirken diese Erkrankung herbeigeführt haben. Wird die im Tatbestand einer der in Betracht kommenden Berufskrankheiten aufgeführte Mindestdosis der beruflichen Einwirkungen nicht erreicht, so kommt die Anerkennung dieser Berufskrankheit nicht in Betracht. Enthält der Tatbestand einer der aufgrund der beruflichen Einwirkung in Betracht kommenden Listen-Berufskrankheiten keine Angaben über die erforderliche Mindestdosis der beruflichen Einwirkungen (sog. offener Berufskrankheiten-Tatbestand, z. B. Nr. 1103, 2402, 4109 der Anlage 1 zur BKV), so ist auch hier eine mehrstufige Kausalitätsprüfung durchzuführen. Im ersten Schritt ist zu klären, ob der Stoff des jeweiligen Berufskrankheiten-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele ("conditio sine qua non" – Äquivalenztheorie). Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat (BSG, Urteil v. 12.1.2010, B 2 U 5/08 R; Urteil v. 29.11.2011, B 2 U 26/10 R; Spellbrink, BPUVZ 2012, 360). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und solchen, die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zur konkreten Krankheitsentstehung zum Eintritt des Erfolgs wesentlich mitgewirkt haben (Theorie der wesentlichen Bedingung). Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs rechtlich wertend entschieden werden (BSG, Urteil v. 29.11.2011, B 2 U 26/10 R). Ist also im Falle der oben beispielhaft genannten Berufskrankheiten nach Nr. 1193, 2402 und 4109 im ersten Schritt festgestellt worden, dass einer oder mehrere der tatbestandlich genannten Listenstoffe die Krebserkrankung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht hat/haben, so ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten Berufskrankheiten-Nr. 1103, 2402, 4109 – jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-Berufskrankheit betrachtet – eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-Berufskrankheiten nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (BSG, a. a. O.).