Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt nach § 167 Abs. 2 SGB IX der Arbeitgeber mit Zustimmung des Arbeitnehmers mit Behinderung gemeinsam mit der betrieblichen Interessenvertretung, gegebenenfalls Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, gemeinsamen Servicestellen sowie Werks- oder Betriebsärzten mögliche Vorsorgemaßnahmen zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit. Die Beteiligten prüfen, mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Dies wird als betriebliches Eingliederungsmanagement bezeichnet. Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat können ggf. vom Arbeitgeber die Klärung dieser Fragen (allerdings nur mit Zustimmung der betroffenen Person) verlangen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist auch dann durchzuführen, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.
Erfordernis gilt für alle Arbeitnehmer
Auch wenn das betriebliche Eingliederungsmanagement im Schwerbehindertenrecht (Teil 2 des Sozialgesetzbuchs IX) geregelt ist, ist es für sämtliche Arbeitnehmer anwendbar, unabhängig von einer vorliegenden Schwerbehinderung oder Gleichstellung.
Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, können durch Prämien oder einen Bonus von den Rehabilitationsträgern und von den Integrationsämtern nach § 84 Abs. 3 SGB IX gefördert werden.
Erkrankt der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss des betrieblichen Eingliederungsmanagements wieder länger als 6 Wochen am Stück oder wiederholt (auch wenn noch nicht 1 Jahr verstrichen ist), ist das Eingliederungsmanagement grundsätzlich erneut durchzuführen.
Auswirkung auf Kündigung bei fehlendem betrieblichem Eingliederungsmanagement
Problematisch ist die Frage, ob sich ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Vorschrift auf die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung auswirkt.
Die Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist jedenfalls kein formeller Fehler, der für sich genommen bereits zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Daher ist die Nichtdurchführung ohne Bedeutung, wenn für die Kündigung das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist (das Arbeitsverhältnis besteht noch nicht mehr als 6 Monate; im Betrieb werden weniger als 10 bzw. 5 Arbeitnehmer beschäftigt). Die Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements lässt im Übrigen die Benachteiligung wegen einer Behinderung i. S. d. § 1 AGG nicht vermuten. Dagegen kann die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements eine Rolle spielen, wenn es für die soziale Rechtfertigung der Kündigung darauf ankommt, ob die Krankheitszeiten betriebliche Auswirkungen in erheblichem Umfang haben. Hat ein Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement eingeführt, kann der Arbeitgeber nicht pauschal behaupten, andere leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer bestünden nicht. Da es sich nur um eine Darlegungs- und Beweislastregel handelt, ist das Fehlen des betrieblichen Eingliederungsmanagements unerheblich, wenn der Arbeitgeber darlegt und ggf. beweist, dass auch die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Kündigung nicht verhindert hätte.
Kündigung bei fehlendem betrieblichem Eingliederungsmanagement
Die Arbeitnehmerin arbeitet in einem Vertriebs Call Center. Wegen Rückenproblemen ist sie häufig und länger krank. Nach der krankheitsbedingten Kündigung trägt sie im Kündigungsschutzverfahren vor, dass im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements festgestellt worden wäre, dass sie durch Aufstellen eines Stehpults und alternierende Arbeit im Sitzen und im Stehen weniger Beschwerden hätte und seltener fehlen würde.
Lösung
Für den Arbeitgeber ist damit der Einwand abgeschnitten, eine stehende Arbeitstätigkeit hätte die weit übergewichtige Arbeitnehmerin sicherlich abgelehnt. Das betriebliche Eingliederungsmanagement hätte hier somit für einen leidensgerechten Arbeitsplatz sorgen können, dem Arbeitgeber möglicherweise aber auch den Nachweis liefern können, dass die Arbeitnehmerin die Arbeit am Stehpult ohnehin ablehnt.
Kündigung und Vermeidbarkeit erheblicher betrieblicher Auswirkungen
Im vorstehenden Beispielsfall könnte die Arbeitnehmerin prozessual auch vortragen, dass im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements festgestellt worden wäre, dass sie auch für ein anderes Vertriebsprodukt eingesetzt werden könnte. Während in ihrem bisherigen Bereich nur 2 Kollegen beschäftigt wären, würden für andere Produkte 10 bis 15 Arbeitnehmer eingesetzt. Fehltage einzelner Mitarbeiter würden sich auf die betrieblichen Abläufe daher sehr viel geringer auswirken als in ihrem Bereich.
Lösung
Der Arbeitgeber wird Schwierigkeiten haben, das zu widerlegen, wenn er nicht aufzeigen kann, dass eine Versetzung in die anderen Vertriebsbereiche wegen fehlender Qualifikationen der Arbeitnehmerin undenkbar war.
Darlegungs- un...