Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds wegen massiven Auftretens gegenüber der Personalleiterin
Leitsatz (redaktionell)
Bei über Jahre beanstandungsfrei geführtem Arbeitsverhältnis rechtfertigt ein, wenn auch massives, Auftreten gegenüber der zuständigen Personalleiterin mit den Worten "Sie sind sehr mutig, wenn Sie sich mit mir anlegen. Ich mache sie fertig, Sie werden schon noch sehen" auch dann nicht die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn das Verhalten sich aufgrund einer Einschüchterung der Gesprächspartnerin durch unangemessenes Heben der Stimme als besonders massiv darstellt. Vielmehr erscheint es insbesondere angesichts der von dem Arbeitnehmer begleitenden besonderen Vertrauensposition als frei gestelltes Betriebsratsmitglied für angemessen, den Arbeitnehmer zunächst abzumahnen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 14.12.2018; Aktenzeichen 14 Ca 1054/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.12.2018, Az. 14 Ca 1054/18, teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.02.2018 nicht aufgelöst worden ist.
- Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Klägers. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.12.2018 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sei gegeben. Dem Kläger sei eine schwerwiegende Nebenpflichtverletzung vorzuwerfen. Diese sei dem Arbeitsvertrag, nicht dem Betriebsratsamt des Klägers zuzuordnen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger zu der für ihn zuständigen Personalleiterin, Frau Dr. K.-K. wörtlich gesagt habe: "Sie sind sehr mutig, wenn Sie sich mit mir anlegen. Ich mache Sie fertig, Sie werden schon noch sehen". Außerdem habe er Herrn O., dem Leiter der Werksverpflegung, gegenüber geäußert: "Sie krieg ich auch noch". Das Arbeitsgericht hat die Aussagen der vernommenen Zeugen K.-K., S., O. und K. als übereinstimmend, glaubwürdig und glaubhaft angesehen. Insbesondere seien die Zeugen K. und K.-K. besonders überzeugend gewesen. Beide dem Kläger vorgeworfenen Vorfälle lägen auf einem Nenner. Denn der Kläger habe beide Zeugen massiv bedroht, was nicht hinnehmbar sei. Sei bereits der Auftritt des Klägers im Büro der Personalleiterin als einschüchternd zu bewerten, so werde hierdurch die Schwelle zum wichtigen Grund überschritten. Eine betriebliche Auseinandersetzung könne auf diesem Weg nicht geführt werden. Nicht umsonst sei die Zeugin K.-K. deshalb einige Tage arbeitsunfähig gewesen. Dass der Kläger bereits am nächsten Tag eine ähnliche Aussage zu Herrn O. gemacht habe zeige, dass kein einmaliger Ausrutscher vorliege. Ein milderes Mittel, insbesondere eine Abmahnung sei der Kündigung nicht vorrangig. Der Kläger habe seine Pflichtwidrigkeit ohne Weiteres erkennen müssen und habe mit einer Billigung seitens der Beklagten offensichtlich nicht rechnen können.
Auf eine Provokation seitens der Zeugin K.-K. durch ein Bestehen auf dem vorgegebenen Gesprächstermin könne sich der Kläger nicht berufen. Denn der Kläger habe ein anderes als das erkrankte Betriebsratsratsmitglied zum Gespräch mitnehmen können. Auch habe es gute Gründe gegeben, die Angelegenheit zeitnah zu besprechen. Die Personalleiterin habe sich auch nicht vom Kläger diktieren lassen müssen, wann das Gespräch stattfinde.
In die Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht das Alter des Klägers, die lange Betriebszugehörigkeit und (unterstellt) Unterhaltspflichten gegenüber vier Kindern angesetzt. Es ist von einem ungestörten Arbeitsverhältnis ausgegangen und hat zu Gunsten des Klägers weiter gewürdigt, dass mit dem Kläger ein gewählter Funktionsträger verloren gehe. Allerdings überwiege das Maß der Pflichtwidrigkeit und die Folgen (Arbeitsunfähigkeit der Personalleiterin) die Interessen des Klägers.
Die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger dürfe nicht ins Blaue hinein bestreiten, dass die von der Beklagten zitierten Anlagen dem Betriebsrat vorgelegen hätten. Der Betriebsratsvorsitzende habe auf dem Deckblatt und dem folgenden Blatt der Betriebsratsanhörung unterschrieben. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er dies tue, wenn nicht die Anhörungsunterlagen tatsächlich vollständig vorgelegen hätten. Dem Betriebsrat sei mit diesen Unterlagen auch der Kündigungssachverhalt geschildert worden. Dieser werde in der Anlage zur Anhörung (Bl. 122ff. d. Akte) dargestellt. Darauf habe die Beklagte verweisen dürfen. Dass dem Betriebsrat nur Mittteilun...