Entscheidungsstichwort (Thema)

Böswillige Erteilung eines unterdurchschnittlichen Zeugnisses. Beanstandung eines Zeugnisses durch den Arbeitnehmer. Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Keine Verwirkung bei Zeugnisberichtigung nach mehr als zwei Jahren. Wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis nach § 109 Abs. 2 GewO. Keine Pflicht zur Schlussformulierung im Zeugnis aus § 109 GewO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einzelfallentscheidung zur Frage der Verwirkung eines Anspruchs auf Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.

2. Der Arbeitgeber hat kein schutzwürdiges Vetrauen auf den Bestand des erteilten Zeugnisses, wenn er den Arbeitnehmer böswillig mit "ungenügend" beurteilt hat und der Arbeitnehmer das Zeugnis als "sittenwidrig", "unterirdisch" und von vorsätzlicher Schädigungsabsicht getragen beanstandet hat. Das gilt auch dann, wenn zwischen Beanstandung und Klageerhebung zwei Jahre liegen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage war (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment).

2. § 109 Abs. 2 GewO normiert das Gebot der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit. Hinzu tritt der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf. Dieser ist wiederum durch die Wahrheitspflicht begrenzt. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

3. § 109 Abs. 1 GewO gewährt keinen Anspruch auf eine Schlussformulierung, mit welcher Dank, Bedauern und gute Wünsche ausgedrückt werden.

 

Normenkette

GewO § 109; BGB § 242; ZPO § 308 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 12.07.2022; Aktenzeichen 18 Ca 5712/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2022 (18 Ca 5712/21) abgeändert.

    1. Die Beklagte verurteilt, das dem Kläger unter dem Datum 29. Juni 2018 erteilte Arbeitszeugnis zu berichtigen und dem Kläger auf einem für Zeugnisse üblichen Briefbogen der Beklagten ohne Adressfeld unter dem Datum 31. März 2019 neu zu erteilen mit folgendem Inhalt:

      Herr ... , geboren am ... , war vom ... bis ... in unserem Unternehmen tätig.

      Die ... ist eine Tochtergesellschaft der seit .. bestehenden ... . Der weltweit tätige Konzern ... produziert in Asien, Europa und in den USA ... . Seit ... vertreibt die ... unter anderem kundenspezifische ... .

      Herr ... war zunächst als Vertriebsingenieur im Außendienst bei uns tätig. Diese Aufgabe verrichtete er selbstständig, zielstrebig und sorgfältig. Er zeigte durchweg Einsatzbereitschaft und Eigeninitiative. Er arbeitete routiniert und effizient und erzielte gute Lösungen.

      Im Zeitraum von ... bis ... konnten wir ihn dann aufgrund der gezeigten guten Leistungen als Mitarbeiter im Produktmarketing einsetzen. Herr ... erfüllte seine Aufgaben im Produktmarketing stets zuverlässig und sehr gründlich. Aufgrund seiner Fachkenntnisse erzielte er stets gute Ergebnisse.

      Seit ... war Herr ... dann als Produkt und Sales Engineer tätig. Zudem war er Produktsicherheitsbeauftragter für den Kunden ... .

      Im Einzelnen erstreckte sich das Aufgabengebiet von Herrn ... als Produkt & Sales Engineer schwerpunktmäßig auf die folgenden Bereiche:

      • -

        Betreuung der Kunden in seinem Verantwortungsbereich

      • -

        Ausarbeiten von Angebotsvorschlägen in Abstimmung mit tangierten Abteilungen

      • -

        Führen von Preisverhandlungen bis zum vereinbarten Limit

      • -

        Interne und externe Koordination und Leitung von Projekten: Produktqualifizierung nach Markt- und Kundenanforderungen

      • -

        Angebotsverfolgung bis zur Auftragserteilung

      • -

        Erreichen der geplanten und vereinbarten Budgets

      • -

        Regelmäßiges Reporting an Management und Marketing

      • -

        Regelmäßiges Berichtswesen z.B. Monatsbericht, Markt-, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen

      • -

        Erarbeitung von Kundenvereinbarungen (Skonto, Boni, Rabatte)

      • -

        Durchführung von zeitlich begrenzten Sonderaufgaben auf Weisung des Vorgesetzten

      • -

        Abhaltung von technischen Schulungen und Produktschulungen

      • -

        Technische Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter

      • -

        Umsetzung von Werbemaßnahmen, Durchführung von Messeauftritten

      • -

        Produktsicherheitsbeauftragter (PSB) für ...

      Herr ... verfügt über umfassende Fachkenntnisse, die er auf dem Laufenden hielt, kontinuierlich ausbaute und mit Erfolg zum Nutzen unseres Unternehmens einzusetzen wusste. Die ihm vorgegebenen Ziel- und Budgetvorgaben hat Herr ... stets eingehalten. Herr ... zeigte ein hohes Maß an Initiative und Engagement. Er arbeitete selbstständig und kannte sich in allen Prozessen des Unternehmens gut aus. Bei seiner Arbeit ging Herr ... planvoll, strukturiert und mit Organisationsgeschick vor. Seine Arbeitsergebnisse waren gut, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Aufgrund seiner A...

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