Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 25.10.1995; Aktenzeichen 1 Ca 4243/95) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.10.1995 – 1 Ca 4243/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Die Parteien streiten nun noch über die Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 16.06.1995 und vom 06.09.1995. um den Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses sowie die Weiterausbildung der Klägerin. Desweiteren hat die Klägerin Ausbildungsvergütungen für die Monate Juni 1995 bis einschließlich September 1995 geltend gemacht.
Nachdem das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt, wird von der Darstellung des Sachverhalts im einzelnen abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (ABl. 118-124) wird verwiesen.
Mit Urteil vom 25.10.1995, der Beklagten am 02.01.1996 zugestellt, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die am 01.02.1996 eingelegte und am 01.04.1996 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung der Beklagten. Wegen ihres Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 01.04.1996 (ABl. 149-163) Bezug genommen.
Die Beklagte hat beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.10.1995 – 1 Ca 4243/95 – wird mit Ausnahme der Feststellung, daß das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 18.04.1995 aufgehoben wurde, abgeändert.
Die Klage wird mit Ausnahme der in Ziffer 1 genannten Feststellung abgewiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Ihr Vortrag in der Berufungsinstanz ergibt sich aus der Berufungserwiderung vom 10.05.1996 (ABl. 182-194), auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.10.1995 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Die Berufung hatte aber keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 16.06.1995 und vom 06.09.1995 halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, die weiteren Ansprüche der Klägerin sind somit begründet.
Da die Beklagte die Feststellung des Arbeitsgerichts, daß ihre Kündigung vom 18.04.1995 in Verbindung mit dem Schreiben vom 28.04.1995 das Ausbildungsverhältnis nicht aufgelöst hat, nicht weiter angreift, ist diese Feststellung im arbeitsgerichtlichen Urteil rechtskräftig geworden.
Aber auch die fristlose Kündigung der Beklgten vom 16.06.1995 kann nicht als rechtswirksam im Sinne der §§ 626 BGB, 15 Abs. 2 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz angesehen werden. Die Beklagte hat diese Kündigung ausgesprochen, weil die Klägerin unstreitig am 08.06.1995 drei Privatgespräche über das Geschäftstelefon der Firma … bei der die Ausbildung im Einverständnis mit der Klägerin weitergeführt werden sollte, geführt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin am 09.06.1995 zweimal vergeblich versucht, über das Autotelefon ein Privatgespräch zu führen. Am 07.06.1995 hat sie während der Mittagspause über das Geschäftstelefon ein Privatgespräch mit einer Dauer von ca. 30 Minuten empfangen. Diese Telefongespräche hat die Beklagte insbesondere im Zusammenhang mit ihrem im Schreiben vom 18.04.1995 ausgesprochenen Telefonverbot und der von der Klägerin im Vergleich vom 17.05.1995 in dem Verfahren 1 GA 36/95 im Rahmen eines Vergleichs eingegangenen Verpflichtung, in Zukunft private Telefonate mit dem Geschäftstelefon zu unterlassen, zum Anlaß für die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses genommen. Schon in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 1 GA 50/95, mit dem die Klägerin ihrer Weiterausbildung im Beruf der Bürokauffrau begehrte, kamen sowohl das Arbeits- als auch das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die angeführten Vorfälle eine fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nicht rechtfertigten.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu seiner vertraglich vereinbarten Beendigung nicht mehr zuzumuten ist. Zu prüfen ist also, ob der kündigungsrechtlich relevante, vom Arbeitgeber darzulegende und zu beweisende Sachverhalt einen wichtigen Grund abgibt; nach Feststellung dieses wichtigen Grundes ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (KR-Hillebrecht Rn 66 ff. zu § 626 BGB m.w.N.). Unter Beachtung dieser Grundsätze ist auch der § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBlG auszulegen, wobei bei der fristlosen Kündigung ...