Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungszwang bezüglich der Kündigung aus wichtigem Grund eines Berufsausbildungsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Die schriftliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aus wichtigem Grund erfüllt nur dann das gesetzliche Erfordernis der Angabe der Kündigungsgründe, wenn der kündigende Ausbildende den maßgebenden Sachverhalt unter Angabe der Tatsachen, aus denen er seinen Kündigungsentschluß herleitet, so umschreibt, daß der gekündigte Auszubildende erkennen kann, um welchen konkreten Vorfall es sich dabei handelt. Der Begründungszwang geht nicht so weit wie die Darlegungspflicht im Rechtsstreit; pauschale Angaben reichen jedoch nicht aus.
Normenkette
BBiG § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 18.01.1989; Aktenzeichen 8 Ca 414/88) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim, Kammern Heidelberg, vom 18. Januar 1989 – Az.: 8 Ca 414/88 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand eines Ausbildungsverhältnisses und um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger weiterauszubilden.
Der am 7. Dezember 1969 geborene Kläger schloß durch seine Eltern als gesetzliche Vertreter mit der Beklagten, die eine Großhandlung für sanitäre Einrichtungen betreibt, am 3. März 1987 einen Berufsausbildungsvertrag. Danach sollte er vom 1. September 1987 bis zum 31. August 1990 als Kaufmann im Groß- und Außenhandel ausgebildet werden. Während der dreimonatigen Probezeit erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 1987 einen Verweis, weil dieser einen anderen Auszubildenden geschlagen hatte.
Weil der Kläger zum Jahresende 1987 begann, sich einen sog. „Irokesenschnitt” wachsen zu lassen, wandte sich die Beklagte deswegen mit Schreiben vom 15. Januar 1988 an die Eltern des Klägers. Der Aufforderung, sich eine Frisur schneiden zu lassen, die dem Erscheinungsbild eines Kaufmanns bzw. kaufmännischen Angestellten entspreche, kam der Kläger nicht nach. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar 1988 das Ausbildungsverhältnis fristlos. Im Rahmen des vom Kläger eingeleiteten Schlichtungsverfahrens vor der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar schlossen die Parteien am 1. März 1988 einen Vergleich folgenden Inhalts:
- Die Firma E. zieht die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses vom 9.2.1988 zurück.
- Der Auszubildende Erich Werner verpflichtet sich, beginnend mit dem 7.3.1988, die jetzt noch kahlen Stellen der Kopfhaut so bewachsen zu lassen, daß die Kopfhaut nicht mehr sichtbar ist. Ausgeschlossen hiervon bleibt der Nackenhaarbereich.
- Der Auszubildende Erich Werner verpflichtet sich außerdem, Schuhwerk mit festen Sohlen zu tragen sowie im Lagerbereich einen Arbeitsmantel zu tragen.
Weil der Kläger am 24. März 1988 den Auftrag, aus einem Firmenfahrzeug der Beklagten zu verkaufende Waren zu transportieren, ablehnte, wies ihn die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 1988 darauf hin, daß eine solche Tätigkeit zum Aufgabenbereich eines Auszubildenden gehöre. Mit ihrem Schreiben vom 8. April 1988 verlangte die Beklagte vom Kläger die Einhaltung des Arbeitszeitbeginns. Mit einem Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 18. April 1988 nahm der Kläger zu den beiden Schreiben Stellung. Mit Schreiben vom 4. Mai 1988 beanstandete die Beklagte, daß der Kläger am Vortag erst um 13.00 Uhr im Betrieb erschienen war, obwohl er nur bis 10.30 Uhr in den Räumen eines Zahnarztes war, und Privatgespräche auf den Amtsleitungen der Firma geführt hatte. Mit Anwaltsschreiben vom 13. Mai 1988 forderte der Kläger unter Fristsetzung die Entfernung dieses Schreibens aus seiner Personalakte. Mit ihrem weiteren Schreiben vom 1. Juli 1988 behielt sich die Beklagte weitere Schritte wegen einer Arbeitsverweigerung und der Bedrohung eines Arbeitnehmers vor. Ein vom Kläger eingeleitetes Schlichtungsverfahren wegen der Entfernung der Abmahnungen blieb ohne Ergebnis.
Am 19. September 1988 schnitt sich der Kläger seine Haare nach. Mit Schreiben vom 23. September 1988 kündigte die Beklagte den Berufsausbildungsvertrag fristlos.
Zur Begründung führte die Beklagte aus:
- Gegen die Vereinbarung, Ziff. 2, welche wir am 1. März 1988 vor dem Schlichtungsausschuß der IHK geschlossen haben, haben Sie eindeutig am 19.9.1988 verstoßen.
- Die Abmahnungen vom 1.7.1988.
Div. Vorkommnisse, s.Schreiben vom
28.03.88,
08.04.88,
04.05.88,
16.05.88,
17.08.88.
Ein eingeleitetes Schlichtungsverfahren vor der Industrie- und Handelskammer endete am 28. Oktober 1988 damit, daß kein Spruch zustande kam. Mit der am 10. November 1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und seine weitere Ausbildung verlangt. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam, da das Kündigungsschreiben nicht im erforderlichen Umfang die Angabe des Kündigungsgrundes enthalte. Er habe sich am 19. September 1988 beim Rasieren an mehreren Ste...