Entscheidungsstichwort (Thema)
Zutrittsrecht zum Betrieb
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber kann durch einstweilige Verfügung verpflichtet werden, dem Vorsitzenden des Betriebsrats ungehinderten Zutritt zum Betrieb zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten zu gewähren, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung des Zutrittsrechts nicht gegeben ist.
Normenkette
BetrVG § 78; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 03.06.2009; Aktenzeichen 17 BVGa 10011/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2009 – 17 BVGa 10011/09 – teilweise geändert:
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats Zugang zum Betrieb – ausgenommen die Wohnräume der Bewohner – zu gewähren.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin (Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2.), dem Vorsitzenden des Betriebsrats (Antragsteller und Beteiligter zu 1.) Zutritt zum Betrieb zum Zwecke der Betriebsratstätigkeit zu gewähren.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Pflegeheim. Sie beschäftigte den Antragsteller als Altenpfleger. Der Antragsteller ist Vorsitzender des aus drei Mitgliedern bestehenden Betriebsrats (Beteiligter zu 3.), dessen Wahl bei dem Arbeitsgericht Berlin angefochten wurde; das Anfechtungsverfahren (63 BV 18259/08) ist noch nicht abgeschlossen.
Die Arbeitgeberin beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller wegen des Verdachts des Arbeitszeit- bzw. Abrechnungsbetrugs zu kündigen und begehrt vor dem Arbeitsgericht Berlin (48 BV 10663/09) die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Kündigung; das Zustimmungsersetzungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Sie stellte den Antragssteller von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und erteilte ihm ein Hausverbot mit der Maßgabe, dass er ausschließlich zum Zwecke der Betriebsratstätigkeit am Freitag und ggf. zu den Sprechstunden des Betriebsrats den Betriebsratsraum aufsuchen dürfe.
Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Antragssteller die Verpflichtung der Arbeitgeberin begehrt, ihm zum Zwecke erforderlicher Betriebsratsarbeit räumlich und zeitlich unbegrenzt Zutritt zum Betrieb zu gewähren; der Beteiligte zu 3) hat sich diesem Begehren angeschlossen. Die Arbeitgeberin ist dem Antrag entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Arbeitgeberin nach mündlicher Anhörung durch einen am 3. Juni 2009 verkündeten Beschluss aufgegeben, dem Antragsteller zum Zwecke der erforderlichen Betriebsratsarbeit am Freitag ab 10.00 Uhr und am Mittwoch von 13.00 bis 15.00 Uhr Zugang zu den öffentlichen Räumen des Betriebs (ausgenommen die Wohnräume der Bewohner) zu gewähren. Zwar habe der Antragsteller ein Recht auf ungestörte Amtsführung, zu dem auch der Zutritt zum Betrieb gehöre. Soweit der Antragsteller jedoch in zeitlicher Hinsicht einen unbeschränkten Zutritt verlange, fehle es an dem für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsgrund. Es sei insoweit nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, aus welchen Gründen bereits jetzt ein derartiges Zutrittsrecht durchgesetzt werden müsse; dies bleibe der Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf II. der Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden des Antragstellers und des Betriebsrats, die sie jeweils rechtzeitig eingelegt und begründet haben. Sie sind der Auffassung, dass das Zutrittsrecht des Antragstellers auch im einstweiligen Rechtsschutz nicht zeitlich eingeschränkt werden könne und beantragen,
unter teilweiser Änderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2009 – 17 BVGa 10011/09 – der Arbeitgeberin aufzugeben, den Zugang des Antragstellers zu den öffentlichen Räumen (ausgenommen Wohnräume der Bewohner) im Betrieb der Arbeitgeberin N. Allee 13, 13587 Berlin, zum Zwecke erforderlicher Betriebsratsarbeit zeitlich unbegrenzt zu gewährleisten.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller ein uneingeschränktes Zutrittsrecht nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen könne. Der Antragssteller, der derzeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sei, würde ansonsten wie ein freigestelltes Betriebsratsmitglied tätig werden können; hierauf bestehe kein Anspruch. Die Arbeitnehmer könnten bei Bedarf ein anderes Betriebsratsmitglied ansprechen; der Antragssteller sei zudem über sein Mobiltelefon erreichbar. Es sei nicht erkennbar, warum der Antragssteller Arbeitsplätze der Arbeitnehmer aufsuchen müsse. Schließlich würde bei Erlass der einstweiligen Verfügung das – von dem Antragsteller bislang nicht angegriffene – Hausverbot ins Leere laufen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdei...