Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. einstweilige Verfügung. Rechtskraftwirkung. veränderte Umstände. Zutritt zum Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer rechtskräftigen einstweiligen Verfügung kommt materielle Rechtskraftwirkung i. S. d. § 322 Abs. 1 ZPO zu. Die Rechtskraftwirkung bezieht sich auf den Anspruch auf Sicherung oder Regelung nach den §§ 935, 940 ZPO. Dies gilt nach § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG auch im Beschlussverfahren.

2. Die einstweilige Verfügung verliert ihre Rechtskraftwirkung nicht schon dadurch, dass sich die Umstände nach ihrem Erlass geändert haben. Geänderte Umstände sind im Verfahren nach den §§ 927, 936 ZPO geltend zu machen.

3. Solange eine einstweilige Verfügung, durch die dem Arbeitgeber aufgegeben worden ist, einem Mitglied des Betriebsrats Zutritt zum Betrieb zu gewähren, nicht aufgehoben ist, steht deren Rechtskraft dem Erlass einer erneuten Zutrittsverfügung auch dann entgegen, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsratmitglied zwischenzeitlich gekündigt und das Betriebsratsmitglied die Kündigung gerichtlich angegriffen hat.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 2, § 87 Abs. 2; ZPO § 322 Abs. 2, §§ 927, 935-936

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 09.10.2009; Aktenzeichen 51 BVGa 17650/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.10.2009 – 51 BVGa 17650/09 – abgeändert und der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beteiligten 2), dem Beteiligten zu 3) Zutritt zum Betrieb zur Durchführung von Betriebsratstätigkeit zu gewähren.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt ein Pflegeheim. Der Beteiligte zu 1. und Antragsteller ist der für den Betrieb gewählte, aus drei Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) ist der Vorsitzende des Betriebsrats und war bei der Arbeitgeberin als Altenpfleger beschäftigt.

Die Arbeitgeberin focht die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht Berlin (63 BV 18259/08) an und begehrte außerdem die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl. Das Arbeitsgericht gab dem Anfechtungsantrag statt und wies den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zurück. Über die hiergegen von der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegte Beschwerde (9 TaBV 2513/09) ist noch nicht entschieden.

Weiter beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Berlin (48 BV 10663/09) die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsvorsitzenden zu ersetzen. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Kündigung stellte die Arbeitgeberin den Betriebsratvorsitzenden von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und erteilte ihm Hausverbot mit zeitlich eingeschränktem Zutrittsrecht zum Raum des Betriebsrats. Hiergegen beantragte der Betriebsratsvorsitzende beim Arbeitsgericht Berlin (17 BVGa 10011/09) den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Betriebsrat schloss sich dem Antrag an. Der Antrag hatte letztinstanzlich Erfolg. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 2. September 2009 (17 TaBVGa 1372/09) gab das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Arbeitgeberin auf, dem Vorsitzenden des Betriebsrats zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats Zugang zum Betrieb – ausgenommen die Wohnräume der Bewohner – zu gewähren. Eine zeitliche Begrenzung der einstweiligen Verfügung sieht der Beschluss nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Beschlusses (Bl. 6 – 9 d. A.) verwiesen.

Mit Beschluss vom 23. September 2009 wies das Arbeitsgericht im Verfahren 48 BV 10663/09 den Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung zurück. Über die hiergegen von der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegte Beschwerde (19 TaBV 2628/09) ist noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsratsvorsitzenden fristlos und erteilte ihm mit sofortiger Wirkung ein vollständiges Hausverbot. Unter dem 28. September 2009 reichte der Betriebsratsvorsitzende beim Arbeitsgericht Berlin (27 Ca 17552/09) Klage gegen die Kündigung ein. Der Rechtsstreit ist ausgesetzt.

Im vorliegenden Verfahren hat der Betriebsrat mit dem beim Arbeitsgericht Berlin am 30. September 2009 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, der Arbeitgeberin aufzugeben, den Zugang des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb während der betriebsüblichen Arbeitszeiten zum Zwecke erforderlicher Betriebsratsarbeit räumlich und zeitlich unbegrenzt mit Ausnahme der Bewohnerzimmer zu gewährleisten. Der Betriebsratsvorsitzende hat sich dem Antrag angeschlossen. Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei schon nicht antragsbefugt, weil er nicht wirksam gewählt worden sei. Da die Betriebsratswahl nichtig sei, bedürfe es vor dem Ausspruch einer Kündigung auch nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 24. September 20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge