Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers ohne Grund möglich. Kündigung eines ehrenamtlichen Richters nur mit fristlosen Kündigungsgründen zulässig
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Fremdgeschäftsführer ist grundsätzlich keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person.
2. Der besondere Kündigungsschutz für ehrenamtliche Richter nach Art. 110 VerfBB ist grundsätzlich auf das Anstellungsverhältnis eines Fremdgeschäftsführers weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
3. Die Mindeskündigungsfrist für einen Anstellungsvertrag eines Fremdgeschäftsführers richtet sich nach § 621 BGB und nicht nach § 622 BGB. Die Vorschrift des § 622 BGB gilt ausschließlich für Arbeitsverhältnisse und ist auf das Anstellungsverhältnis eines Fremdgeschäftsführers auch nicht entsprechend anwendbar.
Leitsatz (redaktionell)
Das Anstellungsverhältnis eines arbeitgeberähnlichen Geschäftsführers unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des KSchG.
Die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Dienstverhältnis erfolgt nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Es kommt also auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit an.
Der spätere Wegfall der Organstellung des Geschäftsführers begründet ebensowenig den Anwendungsbereich des KSchG.
Normenkette
KSchG § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 242; VerfBB Art. 110; ArbGG § 5 Abs. 1; DRiG § 45 Abs. 1a; ArbGG § 26; BGB §§ 612a, 138, 621-622; GmbHG §§ 35, 46 Nr. 5; ArbGG § 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 30.08.2018; Aktenzeichen 4 Ca 187/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a. d. H. vom 30.08.2018 (4 Ca 187/18) teilweise geändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.02.2018 mit Ablauf des 30.06.2018 beendet worden ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses der Klägerin.
Die Beklagte war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft eines Vereins, der an der Spitze einer Unternehmensgruppe stand, die das D. Kompetenzzentrum für ganzheitliche Rehabilitation, Bildung und Gesundheit in der Region Berlin-Brandenburg betrieb. In den verschiedenen Gesellschaften des Vereins wurden mehr als 1800 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Klägerin war seit den frühen achtziger Jahren in verschiedenen Firmen innerhalb der Unternehmensgruppe L. beschäftigt. Zuletzt erfolgte dort die Beschäftigung der Klägerin als Verwaltungsleiterin einer Rehaklinik in Bad B. auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 23.07.1993 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 27.07.1993. In diesem Vertrag war eine Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem 01.01.1986 vereinbart. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verträge Anlage K3, Bl. 33 ff. der Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten bestellte die Klägerin am 17.07.2009 mit sofortiger Wirkung zu Geschäftsführerin der Beklagten. Mit Wirkung zum 01.12.2009 übernahm die Beklagte im Wege eines Betriebsübergangs die Rehaklinik in Bad B.. Die Beklagte beschäftigte die Klägerin nunmehr auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 01.12.2009 als Geschäftsführerin mit einem Jahresbruttoentgelt i.H.v. 100.000 €, das in 12 monatlichen Raten gezahlt wurde. Die Parteien regelten im Anstellungsvertrag, dass außer dieser Vereinbarung keine weiteren Regelungen bestehen (mit Ausnahme der Zielvereinbarung und dem Dienstwagenvertrag) und der Vertrag sämtliche zwischen den Parteien bestehende sonstige Regelungen ersetzen sollte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Anstellungsvertrag Anlage K1, Bl. 26 ff. Bezug genommen.
Die Klägerin wurde sodann bis mindestens Sommer 2017 als GmbH-Geschäftsführerin mit allen dafür typischen Rechten und Pflichten im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses beschäftigt. Ein Arbeitsverhältnis bestand zwischen den Parteien bis Sommer 2017 unstreitig nicht mehr.
Im Jahr 2014 beschloss der Verein bei der Beklagten und mehreren anderen Gesellschaften einen Strukturwandel anzustoßen. Im Laufe des Jahres 2016 beschloss er eine "Zielstruktur" und deren Umsetzung. In der Folgezeit kam es zu Konflikten zwischen dem Verein und der Geschäftsführung einzelner Gesellschaften.
Am 07.07.2017 verfassten die Klägerin und drei weitere Geschäftsführer anderer Gesellschaften einen Brief an den Aufsichtsrat des Vereins. Sie warfen dem Vorstand des Vereins Untätigkeit, Unfähigkeit, eine verfehlte Personalpolitik bei der Stellenbesetzung im Verein und die fehlende Einbindung der Geschäftsführungen der Gesellschaften vor. Aus Sicht der Geschäftsführer seien die Vorstandsmitglieder des Vereins "wede...