Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um weniger als zehn Prozent. Fehlende Kapazitäten zur Aufrechterhaltung des Schichtbetriebs als Ablehnung für Arbeitszeitreduzierung. Beeinträchtigung des Organisationskonzepts durch Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist rechtsmissbräuchlich, den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit in einem Umfang von nicht einmal 10 % allein deshalb geltend zu machen, damit zukünftig die Einteilung in eine bestimmte Schicht nicht mehr erfolgt.

2. Zu einer Arbeitszeitverringerung entgegenstehenden betrieblichen Gründen bei fehlenden Ersatzkapazitäten

 

Normenkette

TzBfG § 8; BGB §§ 242, 150 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 04.03.2021; Aktenzeichen 4 Ca 556/20)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 04. März 2021 - 4 Ca 556/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Reduzierung und Neuverteilung der wöchentlichen Arbeitszeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die mehr als 15 Arbeitnehmer*innen beschäftigt, seit dem 21.03.2016 als Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt. Die Beklagte, die Spezialpapiere und Vliesstoffe herstellt, setzt ihn als Maschineneinrichter an der Festooning-Anlage ein. Die Beklagte betreibt daneben drei Airlaid-Anlagen. Die Produktion erfolgt in einen rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr laufenden Fünf-Schicht-System. Die Beschäftigten werden einer der Schichten "A" bis "E" zugeordnet oder sind als "Reserve-Operatoren" an jeweils einer der Anlagen tätig. Der Kläger ist der Schicht "E" zugeordnet. Im Betrieb gilt die "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit im Durchfahrbetrieb" vom 20.11.2017 (Blatt 77 ff der Akte; im Folgenden: BV AZ), die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Nord- und Ostdeutschen Papierindustrie und wendet nach Maßgabe eines mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Angleichungstarifvertrages das Tarifwerk der Papierindustrie an. Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden in der Woche, für Beschäftigte ab dem 55. Lebensjahr 36 Stunden in der Woche. Der Kläger arbeitet 39 Stunden in der Woche bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt durchschnittlich 3.760,00 Euro.

An der Festooning Anlage sind 12 Arbeitsplätze eingerichtet, die von den Beschäftigten der Schichten "A" bis "E" besetzt werden, bei Personalausfall von 9 für diese Anlage gesondert vorgehaltenen Reserve-Operatoren. Drei der an der Festooning-Anlage tätigen Beschäftigten sind mindestens 55 Jahre alt. Die Beklagte geht davon aus, dass ihr die Beschäftigten unter Berücksichtigung des Jahresurlaubes und 9 % sonstiger Ausfallzeiten 1.596 Stunden im Jahr für Arbeitsleistungen zur Verfügung stehen, im Falle von mindestens 55 Jahre alten Beschäftigten 1.437 Stunden im Jahr. Ferner geht sie davon aus, dass der Durchfahrbetrieb an einer Anlage den Einsatz der Beschäftigten an jeweils 8.760 Personenstunden im Jahr bedingt und dass 60 weitere Stunden je Person für Fort- und Weiterbildung und Ähnliches benötigt werden. Für die Besetzung von 12 an der Festooning-Anlage bestehende Arbeitsplätze werden im Durchfahrbetrieb deshalb 105.840 Personenstunden beziehungsweise 1.534 auf die 69 eingesetzten Beschäftigten jeweils verteilte Personenstunden benötigt, in jeder Schicht somit 18.407 Personenstunden. In der Schicht "E" stehen der Beklagten aufgrund der Arbeitszeiten der dieser Schicht zugeordneten Beschäftigten 18.675 Personenstunden zur Verfügung.

Die Beklagte setzt die Beschäftigten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden an 36 Stunden in der Woche, Beschäftigte mit einer Arbeitszeit von 36 Wochenstunden an 35 Stunden in der Woche in ihrer jeweiligen regulären Schicht ein, die verbleibenden Stunden werden gemäß der BV AZ im Rahmen eines Arbeitszeitkontos durch Einbringung von Stunden aus einem Freizeitkonto und Urlaubsstunden, im Übrigen durch in besonders im Dienstplan ausgewiesenen Schichten zu leistende "Einbringstunden" ausgeglichen. Diese Schichten dienen der Abdeckung von lang- oder kurzfristig eintretendem Personalausfall an der jeweiligen Anlage.

Mit Schreiben vom 03.03.2021 (Blatt 17 der Akte) beantragte der Kläger bei der Beklagten für die Zeit ab dem 01.07.2020 die Reduzierung seiner Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden und deren ausschließliche Verteilung auf die Schicht "E" im Bereich Festooning. Für zusätzliche Einbringschichten wolle er nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit Schreiben vom 04.03.2020 (Blatt 86 der Akte) beantragte eine weitere an der Festooning-Anlage beschäftigte Arbeitnehmerin die Reduzierung ihrer Wochenarbeitszeit von 36 auf 31 Stunden und ebenso deren ausschließliche Verteilung auf die Schicht "E" an nicht auf einen Sonntag fallenden Tagen (Blatt 86 der Akte). Zwei weitere an Airlaid-Anlagen eingesetzte Beschäftigte stellten ähnliche Anträge am 03.0...

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