Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers im Einzelfall. Unfaire Vertragsverhandlungen bei Ausübung psychischen Drucks

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Arbeitsverhältnis mit einer Lehrerin nur mit einer Frist zum 31.01. oder 31.07. gekündigt werden kann, ist eine Vertragsstrafe auch in Höhe von 6 Monatsgehältern nicht unangemessen.

 

Normenkette

BGB §§ 307, 241 Abs. 2; ArbGG § 66 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.05.2019; Aktenzeichen 6 Ca 11652/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Mai 2019 - 6 Ca 11652/18 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 15.480,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2018 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.480,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Vertragsstrafe, da die beklagte Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist gekündigt hat.

Die Klägerin betreibt an drei Standorten Privatschulen, so auch in Grünheide. Die Beklagte war seit dem 1. Februar 2013 bei der Klägerin zunächst befristet für 2 Jahre als Lehrerin mit einer Arbeitszeit von 17 Wochenstunden bzw. in der Regel 11 Unterrichtsstunden beschäftigt. Die Vergütung betrug ursprünglich 1.250 EUR brutto/mtl. In dem Arbeitsvertrag vom 18. Dezember 2012 hatten die Parteien in § 9 für drei Fälle eine Vertragsstrafe vereinbart, nämlich

bei schuldhafter Nichtaufnahme der Tätigkeit,

bei vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit und

bei Verstoß gegen den Konkurrenzschutz (§ 12 Abs. 2).

Die Vertragsstrafe sollte gegebenenfalls ein Bruttomonatseinkommen umfassen, wobei es eine nähere Regelung zur Berechnung des Bruttomonatseinkommens gab. Ebenfalls in § 9 des Arbeitsvertrages war geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, jeden weitergehenden Schaden geltend zu machen.

In § 10 des Arbeitsvertrages hatten die Parteien unter anderem vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien "mit einer Frist von 3 (drei) Monaten zum Ende eines Schulhalbjahres, also zum 31.01. bzw. zum 31.07. gekündigt werden" kann.

Mit einer Änderungsvereinbarung vom 8. Juli 2015 vereinbarten die Parteien die Änderung von drei Paragraphen des Arbeitsvertrages, nämlich § 3 "Arbeitszeit", § 4 "Vergütung" und § 14 "Besondere Vereinbarungen". Danach betrug die Arbeitszeit ab dem 1. August 2015 nun 29 Wochenstunden bzw. in der Regel 19 Unterrichtsstunden und die Vergütung 2.380,00 EUR brutto.

Begleitet wurde diese Vertragsänderung mit einem Anschreiben der Klägerin an die Beklagte, in welchem unter dem Betreff "Gehaltsanpassung/Gehaltserhöhung" nur auf die Erhöhung des monatlichen Brutto-Grundgehaltes um 100 EUR hingewiesen wurde. Ein ähnliches Anschreiben erhielt die Klägerin mit dem Betreff "Gehaltserhöhung" unter dem 16. Juni 2016 mit einer erneuten Anhebung des monatlichen Bruttogrundgehaltes um 100 EUR. Ebenfalls unter dem 16. Juni 2016 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 18. Dezember 2012, in welchem nur § 4 "Vergütung" geändert wurde.

Ein ähnliches Anschreiben erhielt die Klägerin mit dem Betreff "Gehaltserhöhung" unter dem 13. Juni 2017 mit einer erneuten Anhebung des monatlichen Bruttogrundgehaltes um 100 EUR. Unter dem 14. Juni 2017 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 18. Dezember 2012. Die Änderung betraf dieses Mal drei Paragraphen des Arbeitsvertrages, nämlich § 4 "Vergütung", § 9 "Vertragsstrafe" und § 13 "Verfallfristen". Die Fortgeltung der bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrages vom 18. Dezember 2012 und der Änderung vom 8. Juli 2015 wurde ausdrücklich auch vereinbart.

Hinsichtlich der Vertragsstrafe wurden nun einerseits in § 9 Ziffer 1 drei Sachverhalte für das Eingreifen der Vertragsstrafe aufgeführt, nämlich

bei schuldhafter Nichtaufnahme der Tätigkeit (vor Vertragsbeginn),

vertragswidriger Arbeitsniederlegung (während des bestehenden Arbeitsverhältnisses)

bei rechtswidriger Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Nichteinhaltung der Kündigungsfrist)

sowie in Ziffer 3 ein weiterer Fall

bei Verstoß gegen den Konkurrenzschutz (§ 12 Abs. 2).

Die Vertragsstrafe sollte bei Verstößen gegen Ziffer 3 ggf. ein Bruttomonatseinkommen umfassen. Bei Verstößen gegen Nr. 1 war nun vereinbart, dass die Beklagte "je Tag eine Entschädigung in Höhe einer Tagesvergütung zu zahlen" habe. Die Regelung, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, jeden weitergehenden Schaden geltend zu machen, wurde beibehalten. Zur Berechnung des Bruttomonatseinkommens gab es eine nähere Regelung in § 9 Nr. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages.

Hinsichtlich der Berechnung der Vertragsstrafe im Falle der Sachverhalte nach Nr. 1 beinhaltete Nr. 2 von § 9 folgende Regelung:

Für den Fall vertragswidriger Beendigung (Nichteinhaltung der Kündigungsfrist) ist die Entsc...

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