Entscheidungsstichwort (Thema)
Verringerung der Arbeitszeit nach dem Familienpflegezeitgesetz. Eilantrag eines Baufachwerkers bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen
Leitsatz (amtlich)
1. Ansprüche nach dem FPfZG können auch durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden.
2. Hinweis: Einzelfallentscheidung zu Gunsten eines Bauwerkers.
Leitsatz (redaktionell)
1. § 2a Abs. 2 Satz 2 FPfZG entspricht § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG.
2. Entgegenstehende betriebliche Interessen im Sinne des § 2a Abs. 2 Satz 2 FPfZG müssen zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit sein; die Darlegungs- und Beweislast trägt die Arbeitgeberin.
Normenkette
FPfZG § 2 Abs. 1 S. 1, § 2a Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 894, 935, 940; BEEG § 15 Abs. 7 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.04.2017; Aktenzeichen 14 Ga 4286/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. April 2017 - 14 Ga 4286/17 - abgeändert:
Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, der Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit des Verfügungsklägers von bislang 40 Stunden pro Woche auf 30 Stunden pro Woche bei einer Verteilung der Arbeitszeit von 6 Stunden pro Arbeitstag (montags bis freitags) im täglichen zeitlichen Rahmen von 06:30 Uhr bis 14:30 Uhr ab dem 23. November 2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis zum 21.05.2019, zuzustimmen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Verfügungsbeklagte der Verringerung der Arbeitszeit des Verfügungsklägers auf Grundlage des Familienpflegezeitgesetzes (FPfZG) zuzustimmen hat.
Der Verfügungskläger ist seit dem 01.03.2007 als Baufachwerker bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Er arbeitet regelmäßig in Teams von 2 bis 3 Beschäftigten. Er möchte künftig seine Mutter im gemeinsamen Haushalt umfangreicher pflegen können. Bei der Mutter ist ein Pflegegrad von 4 festgestellt worden. Die Verfügungsbeklagte betreibt ein Unternehmen des Wasserbaus und beschäftigt mehr als 25 Arbeitnehmer, darunter auch 2 Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte.
Erstmals mit Schreiben vom 02.12.2016 hat der Verfügungskläger eine Verringerung der Arbeitszeit auf 34 Stunden beantragt. Mit weiterem Schreiben vom 19.01.2017 begehrte er eine Verringerung auf 30 Stunden (6 Stunden täglich). In einem Gespräch am 09.02.2017 hat die Verfügungsbeklagte mündlich erklärt, dass sie dem nicht zustimmen wolle. Auf weitere schriftliche Nachfrage hat die Verfügungsbeklagte unter dem 07.03.2017 schriftlich mitgeteilt, dass sie das Angebot des Verfügungsklägers ablehne. Mit der am 31.03.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Verfügungsbeklagten am 07.04.2017 zugestellten Antragsschrift verfolgt der verfügungskläger sein Begehren auf Reduzierung der Arbeitszeit für 2 Jahre weiter. Am gleichen Tag hat er das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht, wobei der erstinstanzliche Kammertermin zurzeit auf Januar 2018 angesetzt ist.
Der Verfügungskläger hat im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung u. a. behauptet, sein Arbeitgeber könne die Verringerung der Arbeitszeit durch andere Arbeitnehmer unproblematisch ausgleichen.
Der Verfügungskläger hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, der Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit des Antragstellers von bisher 40 Stunden pro Woche auf 30 Stunden pro Woche bei einer Verteilung der Arbeitszeit von 6 Stunden pro Arbeitstag (montags bis freitags), im täglichen zeitlichen Rahmen von 6:30 Uhr bis 14:30 Uhr inklusive einer 30 minütigen Pause, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzustimmen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie hat behauptet, im Betrieb würden keine Teilzeitkräfte beschäftigt. Diese seien auf dem Arbeitsmarkt auch nicht erhältlich. Daher könne es nicht gelingen, täglich die vom Kläger nicht mehr zu erbringenden zwei Stunden auszugleichen. Im Übrigen fehle es an der Eilbedürftigkeit, da seit dem ersten Schreiben des Klägers über vier Monate vergangen seien.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12.04.2017, das dem Verfügungskläger am 22.05.2017 zugestellt wurde, den Antrag zurückgewiesen. Es fehle ein Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger die Eilbedürftigkeit selbst verschuldet habe. Er hätte schon vor dem 09.02.2017 von der ablehnenden Haltung der Verfügungsbeklagten Kenntnis gehabt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers. Nachdem der Verfügungskläger mit Schreiben vom 28.04.2017 Pflegezeit unter vollständiger Freistellung verlangt hatte, haben die Parteien sich dahingehend geeinigt, dass der Verfügungskläger für sechs Monate bis zum 22.11.2017 auf Basis des PfegeZG vollständig freigestellt wird.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass er die Eilbedürftigkei...