Entscheidungsstichwort (Thema)
Sollvorschrift. sog. Unkündbarkeit. Wiederaufnahme des Verfahrens. Zurückverweisung
Leitsatz (amtlich)
1. § 54 BMT-G II enthält in seiner Fassung ab 01. Januar 2002 kein zwingendes Schriftformerfordernis für eine Angabe des Kündigungsgrundes mehr.
2. Es ist dem Arbeitgeber zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer in Altersteilzeit noch 11 Monate bis zum Eintritt in die Freistellungsphase fortzusetzen, auch wenn er dessen Tätigkeit einem externen Dienstleister übertragen hat.
3. Der Erwerb eines Anspruchs gegen einen externen Dienstleister macht dem Arbeitgeber die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs seines Arbeitnehmers nicht unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB.
Normenkette
BGB § 275 Abs. 1-2, § 626 Abs. 1; BMT-G II § 54; ZPO § 156 Abs. 2 Nr. 1; ArbGG § 68
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 03.03.2004; Aktenzeichen 37 Ca 521/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.03.2004 – 37 Ca 521/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger stand seit 1968 in den Diensten der Beklagten. Sein Monatslohn als Objektreiniger betrug zuletzt 1.926,– EUR brutto.
Durch Vertrag vom 07. April 2003 über eine Beschäftigung in Altersteilzeit wurde für die Zeit ab 01. Juni 2005 eine Freistellung des Klägers unter Fortzahlung seiner Bezüge vereinbart.
Am 16. Dezember 2003 beschloss die Beklagte, die Arbeitsverhältnisse aller Objektreiniger, Büroreiniger und Hauswarte zu beenden und deren Aufgaben sukzessive, spätestens mit Wirkung zum 01. Juli 2004, an externe Dienstleister zu vergeben. Deshalb kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29. Dezember 2003 außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2004, hilfsweise ordentlich zum selben Termin.
Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 29. Dezember 2003 beendet worden sei, und die Beklagte zugleich verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Objektreiniger weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil die Bezeichnung als „betriebsbedingte Kündigung” den Anforderungen des § 54 BMT-G II an eine Angabe des Kündigungsgrundes nicht genüge. Der Kläger habe gemäß §§ 611, 242 BGB i.V.m. Artt. 1 und 2 GG Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Objektreiniger für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Durch ihre Entscheidung, ab dem 01. Juli 2004 sämtliche Aufgaben im Bereich der Objektreiniger an externe Dienstleister zu vergeben, sei der Beklagten die Beschäftigung des Klägers nicht unmöglich geworden; vielmehr sei ihr eine Wiederherstellung des Zustands vor der Umorganisation zumutbar.
Gegen dieses ihr am 05. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die durch Schriftsätze vom 18. und 29. März 2004 eingelegte und am 08. Juni 2004 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Beklagten. Sie verweist auf die Neufassung des § 54 BMT-G II ab dem 01. Januar 2002 und regt eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an, weil ihr hinsichtlich der Prüfung der sozialen Rechtfertigungsgründe sonst eine Instanz verloren ginge. In Vollzug ihrer unternehmerischen Entscheidungen seien inzwischen diverse Vereinbarungen mit Dienstleistern getroffen worden, spätestens ab 01. Juli 2004 die Reinigung sämtlicher Objekte zu übernehmen. Die vom Kläger begehrte Weiterbeschäftigung als Objektreiniger sei deshalb auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Auch für eine anderweitige Beschäftigung des Klägers bestehe keine Möglichkeit. Müsste sie den Kläger und die anderen sog. unkündbaren Arbeitnehmer weiter beschäftigen, wäre ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht mehr gewährleistet, weil zu deren „Betreuung” dann auch eine erhöhte Anzahl kaufmännischer Mitarbeiter verbleiben müsste. Von 552 Beschäftigten in ihrem Unternehmen seien 337 unkündbar.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, indem er die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den BMT-G II in dessen jeweils geltender Fassung mangels Tarifbindung des Klägers für lediglich statisch ansieht. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass die Beklagte notfalls einen Arbeitsplatz für ihn habe frei kündigen müssen. Dieses Erfordernis gelte jedenfalls, wenn der betreffende Arbeitnehmer von seiner Qualifikation her zur Übernahme der entsprechenden Tätigkeit in der Lage sei, wie dies bei ihm hinsichtlich eines Einsatzes als Hausbetreuer der Fall sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte hat nach Schluss der mü...