Entscheidungsstichwort (Thema)
„unkündbare” Arbeitnehmer und Wahrung der Ausschlußfrist zur Kündigung beim personalvertretungsrechtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein tarifvertraglich „unkündbarer” Arbeitnehmer kann außerordentlich (fristlos) entlassen werden, wenn er mit einem Firmenfahrzeug, das dazu nicht bestimmt ist, 14 Pkw-Altreifen illegal „entsorgt”.
2. Zur Harmonisierung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB (§ 53 Abs. 2 BMT-G II) juris: BMT-G 2 mit personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsregelungen erscheint es sachlich gerechtfertigt, § 21 Abs. 5 SchwerbG analog anzuwenden.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; BMT-G II § 53 Abs. 1-2; SchwerbG § 21 Abs. 5; PersVG Berlin § 79 Abs. 1, §§ 80-81, 87 Nr. 9
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 22.10.1996; Aktenzeichen 59 Ca 29652/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Oktober 1996 – 59 Ca 29652/96 – wie folgt abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der 1953 geborene, verheiratete Kläger trat am 19. Mai 1980 als Handreiniger in die Dienste der Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Ab 01. Juli 1985 übte er die Tätigkeit eines Kraftfahrers aus und erzielte zuletzt einen durchschnittlichen Bruttoverdienst von monatlich 5.800,– DM. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Berliner Betriebe Gesetzes (BerlBG) vom 09. Juli 1993 (GVBl 319), zu deren Organen u.a. der Vorstand gehört, der die Beklagte vertritt, § 8 Abs. 1 BerlBG. Das Vorstandsmitglied … L. ist ausschließlich für soziale und personelle Angelegenheiten bestellt worden. Nach der Satzung der Beklagten steht das alleinige Vertretungsrecht in personellen Angelegenheiten dem Vorstandsmitglied für Personal und Soziales zu. Darüber hinaus existiert bei der Beklagten eine eigenständige Personalabteilung, die Geschäftseinheit Personal. Dieser steht Herr. K. als Leiter der Geschäftseinheit Personal vor, während bis zum 30. September 1996 Leiter der Geschäftseinheit Personal Herr. V. war.
Am 15. April 1996 holten die Kläger gemeinsam mit einem Arbeitskollegen auf dem Weg zum Einsatzort aus dem Keller des Klägers 14 Pkw-Altreifen und luden sie in das von ihnen geführte Baggersaugfahrzeug mit der Typenbezeichnung BS 055. Das Fahrzeug der BSR war nicht für die Entsorgung derartiger Gegenstände, sondern für Gullyschlamm vorgesehen. Nach Beendigung ihrer Tour kippten sie den gesamten Inhalt dieses Fahrzeuges in den Bunker des Abfallbehandlungswerkes Ruhleben, was von zwei Mitarbeitern der Eingangskontrolle beobachtet worden war. Die Reifen wurden vom Personal des Abfallbeseitigungswerkes Nord dem Abfallbunker wieder entnommen und bis zur Aufklärung der Angelegenheit gelagert.
Am 18. April 1996 befragten der zuständige Einsatzleiter. Herr D. sowie der Betriebshofleiter, Herr L. den Kläger und den Kraftfahrer W. zu dem Vorfall. Beide bestätigten, am 15. April 1996 insgesamt 14 aus dem privaten Besitz des Klägers stammende Altreifen illegal in das Abfallbeseitigungswerk Ruhleben gebracht zu haben. Nach den Angaben der Beklagten erhielt ihre Personalabteilung am 29. April 1996 Kenntnis von dem fraglichen Vorfall, während nach der Behauptung des Klägers (Bl. 46 d. A.) die Geschäftsleitung dem Personalrat bereits aufgrund eines Gespräches vom 18. April 1996 per Telefax am 24. April 1996 mitgeteilt haben soll, daß mit einer Kündigung des Klägers zu rechnen sei.
Am 30. April 1996 wurden die Mitarbeiter …S. und P. (Bl 12 d. A.) zu ihren Beobachtungen am 15. April 1996 von der Personalabteilung befragt, die den fraglichen Sachverhalt bestätigten. Auch der Kläger wurde von ihr, der Beklagten, am 30. April 1996 im Beisein des Personalratsmitgliedes L. und der Mitarbeiter ihrer Beklagten Frau … S. und … A. angehört und zu den Einzelheiten befragt. Mit Schreiben vom 30. April 1996 (Bl. 26 d. A.) erbat die Beklagte vom Personalrat Reinigung u.a. die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers gemäß § 87 Nr. 9 PersVG Berlin. Der Personalrat verweigerte jedoch mit Schreiben vom 02. Mai 1996 (Bl. 28 d. A.) seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung. In diesem Schreiben heißt es u.a.:
„Ein Vorwurf der Schwarzentsorgung ist vom PR im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, da zum einen dem Betrieb kein Schaden entstanden ist und zweitens die Kollegen … G. und … W. sich in keinster Weise bereichert haben. Auch kann das Gremium nicht erkennen, wo hier das Ansehen der BSR in der Öffentlichkeit in Mißkredit gebracht wurde.
Im übrigen geht aus dem Schreiben des Betriebshofleiters hervor, daß die beiden Kollegen sich bisher nichts zu schulden kommen ließen.
Auch daß die Kollegen Reue und Einsicht zeigten spricht u.E. positiv für die Einstellung zu diesem Fehlverhalte...