Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

Die Sozialauswahl ist als grob fehlerhaft zu bewerten, wenn die Betriebsparteien den auswahlrelevanten Personenkreis dergestalt bestimmen, dass Arbeitnehmer, die sich erst auf einem bestimmten Arbeitsplatz einarbeiten müssen – fehlende sofortige Substituierbarkeit – aus der Vergleichbarkeit ausscheiden. Dies gilt auch bei Massenkündigungen, jedenfalls dann, wenn es sich um reine Anlerntätigkeiten handelt. Eine Reduzierung der Einarbeitszeit auf „Null” ist nach Auffassung der Berufungskammer grob fehlerhaft.

Rechtsfolge der groben Fehlerhaftigkeit ist, dass der Arbeitgeber sich nicht mit Erfolg auf die Namensliste berufen kann, denn welchen Inhalt diese ohne fehlerhafte Vergleichsgruppenbildung gehabt hätte, lässt sich im Nachhinein nicht objektiv feststellen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Namensliste nur im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat erstellt werden kann.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 03.09.2010; Aktenzeichen 4 Ca 588/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 03.09.2010, 4 Ca 588/10, teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 16.02.2010 nicht beendet worden ist.
  2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis besteht.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 25 %, die Beklagten, gesamtschuldnerisch haftend, zu 75 %.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass eine seitens des Beklagten zu 1) ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) fortbesteht sowie die Verurteilung der Beklagte zu 2), ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Der am 23.09.1968 geborene, verheiratete Kläger, der drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, ist am 13.05.1996 bei einer Rechtsvorgängerin der u. T. GmbH, die eine Zulieferin der Automobilindustrie ist, als Maschinenbediener eingestellt worden. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich nach den für die Metallindustrie in NRW geltenden Tarifverträgen. Der Arbeitsvertrag enthält eine Versetzungsklausel.

Im Betrieb werden Lenksysteme für die Automobilindustrie produziert. Diese Lenksysteme setzen sich aus Stahlgehäusen, Axialen, Druckstangen, Zahnstangen und Ventilen sowie den entsprechenden Ventileinzelteilen wie Input-Shaft, t-bar und Pinion zusammen.

Der Kläger war zuletzt im Bereich Ventilmontage in der Lohngruppe 7 zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von durchschnittlich 2.897,34 EUR beschäftigt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob er daneben auch in anderen Bereichen tätig war.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.03.2009 wurde über das Vermögen der u. T. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) war bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und stand in dieser Eigenschaft mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat, für den seit Dezember 2008 ein betriebswirtschaftlicher Sachverständiger tätig war, in Kontakt. In der Zeit ab Dezember 2008 gab es eine Vielzahl von Besprechungen zwischen den Vertretern des Beklagten zu 1) und dem durch den Betriebsratsvorsitzenden B. Z. und dessen Stellvertreter N. I. vertretenen Betriebsrat.

Unter dem Datum vom 15.02.2010 schlossen der Betriebsrat und der Beklagte zu 1) einen Interessenausgleich mit Namensliste ab. Auf der Namensliste sind von den insgesamt 606 beschäftigten Mitarbeitern die Namen von 273 Beschäftigten aufgeführt, und zwar 131 Arbeitnehmer aus dem indirekten Bereich, 130 Arbeitnehmer aus dem direkten Bereich sowie acht Auszubildende, die statt der in § 8 des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke vorgesehenen einjährigen Übernahme im Betrieb der Insolvenzschuldnerin in die im Interessenausgleich vorgesehene Transfergesellschaft gewechselt sind und vier ehemalige Auszubildende, denen nach Ablauf der einjährigen Übernahme der Eintritt in die Transfergesellschaft zum 01.03.2010 ermöglicht worden ist.

Nach Ziffer 4 des Interessenausgleichs ist die Betriebsratsanhörung mit der Erstellung der Namensliste eingeleitet worden. Der Betriebsrat hat in dieser Ziffer bestätigt, dass ihm die Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer/innen vorlagen, er ausreichende Gelegenheit hatte, im Betriebsratsgremium sämtliche Sozialdaten jeden einzelnen Mitarbeiters zu erörtern und er in Anbetracht der ausführlichen Diskussion über die einzelnen Kündigungen keine Stellungnahme mehr abgeben werde, so dass das Anhörungsverfahren mit der Unterschrift des Betriebsrates unter dem Interessenausgleich beendet sei. Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs...

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