Entscheidungsstichwort (Thema)
Informieren des Bewerbers über die Datenerhebung des Arbeitgebers nach Durchführung einer Google-Recherche i.R.d. Stellenbesetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, steht der Eignung i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG für eine befristete Stelle im Justiziariat/Personalwesen eines öffentlichen Arbeitgebers entgegen.
2. Dem steht nicht entgegen, dass der öffentliche Arbeitgeber von der Verurteilung durch eine Google-Recherche über den Bewerber erfahren hat. Diese war im konkreten Fall gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b DSGVO zulässig. Die Erforderlichkeit ergibt grundsätzlich aus der Zweckbindung des Einstellungsverfahrens und der daraus folgenden Aufgabe des öffentlichen Arbeitgebers, die Eignung des Bewerbers festzustellen und zu überprüfen. Es bleibt offen, ob ein anlassloses "googeln" zulässig ist. Hier waren einem Mitglied der Auswahlkommission Umstände bekannt, welche die Google-Recherche rechtfertigten.
3. Führt ein Arbeitgeber eine Google-Recherche durch, ist der Bewerber über diese Datenerhebung gemäß Art. 14 DSGVO zu informieren. Die Information über die Datenkategorien (Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO) muss dabei so präzise und spezifisch gefasst sein, dass die betroffene Person die Risiken abschätzen kann, die mit der Verarbeitung der erhobenen Daten verbunden sein können. Kommt der Arbeitgeber dieser Informationspflicht nicht nach und verwertet die erlangte Information - hier über die strafrechtliche Verurteilung - im Stellenbesetzungsverfahren, steht dem Bewerber ein Entschädigungsanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.
Normenkette
GRC Art. 47 Abs. 2; DSGVO Art. 4, 6 Abs. 1, 3, Art. 14 Abs. 1, Art. 82 Abs. 1, Art. 79 Abs. 1, Art. 88 Abs. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2; AGG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, §§ 11, 15 Abs. 1, § 22; BDSG § 26; ZPO § 253 Abs. 2, § 256 Abs. 1, § 287 Abs. 1; DSGVO Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.09.2023; Aktenzeichen 13 Ca 5229/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.09.2023 - 13 Ca 5229/22 - teilweise abgeändert und die Beklagte auf den Antrag zu 2) verurteilt, an den Kläger 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2022 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
IV. Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit er mit dem Antrag zu 1) betreffend die Streitgegenstände Schadensersatz aus Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG und aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO unterlegen ist und soweit er mit dem Antrag zu 2) unterlegen ist. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen, soweit diese mit dem Antrag zu 2) unterlegen ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Stellenbesetzungsverfahren.
Bei der Beklagten, einer Universität, handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Kläger ist Volljurist (Erstes Staatsexamen: x,xx Punkte und Zweites Staatsexamen: x,xx Punkte) und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er wurde mit Urteil vom 06.07.2020 vom Landgericht München I erstinstanzlich wegen Betrugs in drei Fällen und versuchten Betrugs in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil des Landgerichts München I wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 04.05.2022 zum Az. 1 StR 138/21 aufgehoben. Über den Kläger existierte ein Wikipedia-Eintrag, in welchem neben anderen Aspekten Angaben zum Strafverfahren gegenüber diesem enthalten waren. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage B7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11.01.2023 Bezug genommen.
Die Beklagte schrieb mit Bewerbungsfrist bis zum 25.06.2021 für ab sofort und befristet im Rahmen einer Mutterschutz- und Elternzeitvertretung für ca. 18 Monate eine Stelle für "eine*einen Volljurist*in (m/w/d)" zur Kennziffer 131.21 - 3.2 aus. In dieser Stellenausschreibung hieß es u.a.:
"...
Was sind Ihre Aufgabenschwerpunkte?
- Beratung und Betreuung aller Bedarfsträger der Universität in ihren Rechtsangelegenheiten
- Führen von zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten (auch vor dem Arbeitsgericht) inklusive der gerichtlichen Vertretung
- Bearbeitung von Anträgen nach dem IFG NW sowie Mitwirkung in der Datenschutzauskunftsstelle und der AGG-Beschwerdestelle der Universität
- Fertigen von Rechtsgutachten, u.a. zu personalrechtlichen und dienstrechtlichen Fragestellungen
- Bearbeitung von Vertragsangelegenheiten mit hochschul- und gesellschaftsrechtlichen Bezügen
Die Stelle ist organisatorisch im Justitiariat angebunden, wird aber zur Hälfte ...