Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewerbungsverfahrensanspruch. Anforderungsprofil. sachfremde Erwägungen. gleichwertige Fachkenntnisse und Fähigkeiten. frühere Zeugnisse. Verfügungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1. Wird für eine Stelle im öffentlichen Dienst ein Anforderungsprofil mit sachfremden Erwägungen erstellt, dann hat der unterlegene Bewerber in der Regel einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung.
2. Dem steht nicht entgegen, dass bei sachgerechten Erwägungen das Anforderungsprofil möglicherweise in gleicher Weise erstellt worden wäre.
3. Ein Verfügungsgrund entfällt in Konkurrentenrechtstreitigkeiten nicht schon dann, wenn der im I. Rechtszug unterlegene Verfügungskläger die Berufungsbegründungsfrist in vollem Maße ausschöpft.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; GG Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Urteil vom 26.10.2011; Aktenzeichen 8 Ga 32/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 26.10.2011 – 8 Ga 32/11 – abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, die beabsichtigte Übertragung des der Stelle des Sachbearbeiters/der Sachbearbeiterin für das Referat 11 „Haushalt, Finanzwirtschaftliche Grundsatzfragen, Finanzrevision, Angelegenheiten der EU-Fonds” gemäß Kennziffer 3/11/2011” im Ministerium für I. und L. Brandenburg zugrunde liegenden Dienstpostens an Frau C. F. nicht vorzunehmen sowie diese Stelle freizuhalten und nicht zu besetzen, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob eine Stelle nach einem durchgeführten Auswahlverfahren bis auf weiteres nicht endgültig besetzt werden darf.
Der 1967 geborene Verfügungskläger (künftig: der Kläger) hat 1996 ein Fachhochschulstudium im Bereich Forstwirtschaft mit der Note „sehr gut” abgeschlossen. Darüber hinaus hat der Kläger u. a. die Laufbahnprüfung für den gehobenen Forstdienst mit der Note „gut” abgelegt. Seit 1997 ist er bei dem beklagten Land beschäftigt. Vom 25. September 2000 bis 31. Dezember 2009 war er für eine Tätigkeit bei einer Landtagsfraktion beurlaubt. Dort war er als Referent tätig und wurde in die Entgeltgruppe E14 eingruppiert. Vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 befand sich der Kläger in Elternzeit. Seit Juli 2010 ist er als Sachbearbeiter im Referat Grundsatzangelegenheiten Verkehr des Ministeriums für I. und L. beschäftigt und erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E9.
Auf der hier strittigen Stelle wurde und wird Frau F. als Sachbearbeiterin beschäftigt. Sie erhält – wie der Kläger – eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E9. Sie ist eine Absolventin eines Instituts für Lehrerbildung. An dieser DDR-Fachschule wurden Unterstufenlehrer sowie Heimerzieher und Pionierleiter ausgebildet. Sie ist seit dem 8. Juli 1991 bei dem beklagten Land tätig.
Nachdem das beklagte Land der Ansicht war, dass die von Frau F. ausgeübte Tätigkeit eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 bedinge, hat es eine entsprechende Stellenausschreibung vorbereitet. Die geplante Stellenausschreibung hat Frau N. am 28. März 2011 an Frau W. per E-Mail geschickt mit der Bitte um Änderungs- oder Ergänzungshinweise.
Diese antwortete am 29. März 2011 u. a. wie folgt:
„Und Frau Fr. F. hat nach meiner Kenntnis kein einschlägiges Studium. Bitte prüfen, ob Ergänzung „gleichwertige Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen” erforderlich ist.” (Verwaltungsvorgang Bl. 27)
Im Ausschreibungstext (Bl. 19 d. A.) wurde dann eine entsprechende Ergänzung vorgenommen. Auf diese Stelle haben sich nur der hiesige Kläger und Frau F. beworben. Unter dem 14. September 2011 (Bl. 246 – 263 VV) hat das beklagte Land einen Auswahlvermerk angefertigt. Dieser endet mit dem Vorschlag, Frau F. die Stelle zu übertragen.
Hiergegen wendet sich die am 17. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangene einstweilige Verfügung. Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2011 hat das Arbeitsgericht Potsdam den Antrag zurückgewiesen. Das beklagte Land habe das Recht des Kläger auf eine rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand des vom beklagten Landes erstellten Anforderungsprofils und unter Zugrundelegung der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien im Verhältnis zur ausgewählten Mitbewerberin Frau F. nicht verletzt.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 29. Oktober 2010 zugestellt worden. Die Berufung ging am 29. November 2010 beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 30. Januar 2011 erfolgte die Berufungsbegründung am selben Tag.
Der Kläger ist u. a. der Ansicht, das Arbeitsgericht hätte in rechtswidriger Weise die E-Mail von Frau W. nicht berücksichtigt. Auch hätte die Tätigkeit von Frau F. auf dem hier strittigen Dienstposten in der Zeit vom 12. April 2010 bis 31...