Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilantrag zur Stellenbesetzung bei unzureichender Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind verpflichtet, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen; diese Pflicht folgt aus Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.
2. Ein dem späteren Konkurrentenklageverfahren vorgelagertes Auswahlverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert; hat der unterlegene Bewerber keine oder nur eine lückenhafte Kenntnis über die Auswahlgründe, kann er nicht sachgerecht darüber entscheiden, ob er die Auswahlentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll.
3. Das Dokumentationsgebot ist für die Transparenz der Auswahlentscheidung unverzichtbar und für eine Konkurrentenklage zwingende Voraussetzung zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, da nur die schriftliche Dokumentation eine gleiche und zuverlässige Information gewährleistet und sicherstellt, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; eine Dokumentation der Auswahlentscheidung ermöglicht zudem eine Selbstkontrolle des Auswählenden.
4. In einer unzureichenden Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen liegt ein erheblicher Verfahrensmangel, der den Verfügungsanspruch des abgelehnten Stellenbewerbers als begründet erscheinen lässt.
5. Ein abgelehnter Bewerber, dessen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint; dieser Prüfungsmaßstab ist wie im Hauptsacheverfahren auch bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anzulegen.
6. Eine günstigere Eignungsprognose am Maßstab des Anforderungsprofils des zu besetzenden höherwertigen Dienstpostens kann im Einzelfall einen Leistungsvorsprung aufgrund einer besseren dienstlichen Beurteilung ausgleichen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.04.2015; Aktenzeichen 9 Ga 7/15) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.04.2015 - 9 Ga 7/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Besetzung der Stelle "Sachgebietsleiter/in für das Sachgebiet Ausbildungsbetrieb Bildungsstätte W.".
Die vorgenannte Stelle wurde von der Verfügungsbeklagten, einer Berufsgenossenschaft mit Sitz in M.-Stadt, über ihre "Abteilung Allgemeine Personalverwaltung in H.-Stadt" unter dem 09. Dezember 2014 intern ausgeschrieben (Bl. 3 d. A.). Auf diese Stelle bewarben sich neben dem Kläger noch Herr H. S. und Frau Dr. R. W.. Alle drei Bewerber sind bei der Verfügungsbeklagten als Dozenten tätig. Unter dem 06. Februar 2015 erstellte die Verfügungsbeklagte folgenden Auswahlvermerk (Bl. 80 - 82 d. A.):
Stellenbesetzung Leiter/in SG Ausbildungsbetrieb Bildungsstätte W.
Auswahlvermerk
Mit interner Stellenausschreibung vom 09.12.2014 - Anlage 1 - wurde für das Sachgebiet Ausbildungsbetrieb Bildungsstätte W. der Abteilung Konzepte und Betreuung Bildungsstätten, Teil des Bereichs Prävention, am Standort W. eine Leitungsperson gesucht.
Der Ausschreibung lag eine Stellenbeschreibung mit Stand 01.01.2015 - Anlage 2 - zugrunde.
Die Leitung des Sachgebiets Ausbildungsbetrieb Bildungsstätte W. beinhaltet die Übernahme von Leitungs- und Führungsfunktionen, einschließlich der Personalverantwortung für etwa 10 Mitarbeiter/innen. Ausweislich der Stellenbeschreibung umfasst die Stelle folgende Tätigkeiten:
- Fachaufgaben wahrnehmen
- als Dozent referieren
- das Personal des Ausbildungsbetriebs Bildungsstätte W. führen
- als Aufsichtsperson tätig sein (optional)
Das Anforderungsprofil ist wie folgt beschrieben:
- Hochschul- oder Masterabschluss
- Laufbahnbefähigung für den höheren technischen Dienst
- Besondere Ausprägung der Leitungs- und Führungskompetenz, Sozialkompetenz, Organisationsgeschick, Einsatzbereitschaft und Teamfähigkeit
- als besondere Kenntnisse überdurchschnittliche Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes sowie überdurchschnittliche Kenntnisse und Erfahrungen im berufspädagogischen Bereich
- Berufserfahrung innerhalb und außerhalb der Berufsgenossenschaft erforderlich
- Weiterbildung: Führungsseminare; kontinuierliche Weiterbildung bei technischen und rechtlichen Entwicklungen
Es liegen drei interne Bewerbungen vor:
Name |
F.-U. A. |
H.-J. S. |
Dr. R.L.l |
Alter |
53 |
57 |
54 |
Eintritt in den Dienst der BG |
01.04.2003 |
01.01.1995 |
01.04.2003 |
Entgeltgruppe seit |
E 14 Stufe 601.09.2006 |
E 14 Stufe 601.09.2006 |
E 14 Stufe 601.09.2006 |
Qualifikation |
Dipl.-Ing. BrandschutzTU M. |
Dipl.-Ing. (FH) Chemische TechnologieFH D.t |
Dipl.-Ing. ÖkonomTU N. |
Schwerbehinderter Mensch |
nein |
nein |
nei... |