Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. fehlerhafte Unterrichtung. Widerspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Rügt ein Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsveräußerer die Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens und behält er sich ausdrücklich vor, sein Widerspruchsrecht vorbehaltlich weiterer Aufklärungen noch auszuüben, so kann darin ein vertrauenszerstörender Umstand liegen, der eine Verwirkung ausschließt.
2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Veräußerer bereits von einer größeren Anzahl anderer Arbeitnehmer wegen fehlerhafter Unterrichtung eine Widerspruchserklärung erhalten hat und von diesen gerichtlich auf das Bestehen von Arbeitsverhältnissen in Anspruch genommen wird.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 19.09.2006; Aktenzeichen 5 Ca 2495/05 lev) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 19.09.2006 – 5 Ca 2495/05 lev – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 28.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
Der am 01.03.1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 09.05.1984 zuletzt als Chemiefacharbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 3.539,23 EUR beschäftigt.
Der Kläger war dem nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien selbständigen Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) zugeordnet, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
Da die Beklagte beabsichtigte, den Geschäftsbereich Consumer Imaging auf die B. Photo GmbH als Erwerberin zu übertragen, fanden für die von diesem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab. In diesem Interessenausgleich waren Abfindungsleistungen für die ausscheidenden Mitarbeiter festgelegt.
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im Wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn er – der Kläger – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei.
Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt.
Unter Ziffer 5. hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Arbeitsverhältnis von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4. nicht betroffen sei.
Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht und dem Hinweis, dass er im Falle eines Widerspruchs wegen einer sodann nicht bestehenden Weiterbeschäftigungsmög...