Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen. Lohnzuschüsse der ARGE nach dem Hamburger Modell. Ermittlung der Pfändungsfreigrenze
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn es dem Arbeitgeber obliegt, Lohnzuschüsse der ARGE nach dem Hamburger Modell zusammen mit dem Lohn an den Arbeitnehmer auszukehren, bleibt der Zuschuss öffentlich-rechtliche Sozialleistung und ist bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenze nur dann zu berücksichtigen, wenn eine entsprechende Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes besteht.
Normenkette
ZPO § 850 Abs. 2-3; SGB II § 4; SGB I § 54
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 08.04.2009; Aktenzeichen 23 Ca 14/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. April 2009 – 23 Ca 14/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M.P. (im Folgenden: Schuldner) in Anspruch.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – Insolvenzgericht – vom 30. Mai 2006 (Az. 67c IN 119/06) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt worden.
Der ledige, kinderlose Schuldner war seit dem 1.September 2007 bei dem Beklagten als Fahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II „T. Hamburg” nach den Richtlinien des Hamburger Modells zur Beschäftigungsförderung (Anlage B 1, Bl. 31 d. A.) gefördert.
Nach Nr. 5 und 6 der Richtlinien erhält der Arbeitnehmer einen 2 Monate gültigen „Eingliederungsscheck” mit der Zusage der Förderung, der durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer zu unterschreiben ist und den Förderungsantrag darstellt. Daraufhin erfolgt die Bescheiderteilung durch die ARGE.
Der Beklagte als Arbeitgeber und der Schuldner als Arbeitnehmer erhielten entsprechend der Richtlinien monatlich einen – steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlten – Pauschalbetrag von je EUR 250,00 als Förderungsbetrag. Der Zuschuss wurde insgesamt an den Beklagten ausgezahlt; der Beklagte war verpflichtet, den dem Schuldner zustehenden Anteil an der Förderung spätestens jeweils am Monatsende auszuzahlen (vgl. Ziff. 5 Abs. 3 der Richtlinien Anlage B 1, Bl. 31 d. A.).
Der Kläger setzte den Beklagten mit Schreiben vom 8. Januar 2008 über das Insolvenzverfahren in Kenntnis und forderte ihn unter Bezugnahme auf den Insolvenzeröffnungsbeschluss auf, einen pfändbaren Lohnanteil an ihn, den Kläger zu zahlen (Anlage K 2, Bl. 7 d. A.).
Der Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner für die Monate Januar bis Juni 2008 auf der Basis eines Entgelts in Höhe von 1.602,93 EUR (Januar 2008) bzw. 1.318,09 EUR (Februar 2008 bis Juni 2008) zzgl. des „Zuschusses Hamburger Modell” ab und zahlte den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag von 1.358,88 EUR (Januar 2008) bzw. 1.220,00 EUR (Februar 2008 bis Juni 2008) an den Schuldner aus (siehe die Abrechnungen Anlagenkonvolut K 3, Bl. 8 ff. d. A.). Er stand auf dem Standpunkt, dass pfändbarer Lohn nicht angefallen sei, da die Zuschusszahlungen nach dem Hamburger Modell nicht zu berücksichtigen seien.
Einen Antrag nach § 36 Abs. 4 InsO hat der Kläger nicht gestellt.
Würden die Zuzahlungen nach dem Hamburger Modell bei der Berechnung des pfändbaren Gehaltsanteils berücksichtigt, ergäbe sich für die Monate Januar bis Juni 2008 ein pfändbarer Gesamtbetrag von EUR 1.077,40 EUR.
Diesen Betrag macht der Kläger mit der vorliegenden, am 15. Januar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 20. Januar 2009 zugestellten Klage geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Zahlungen an den Schuldner nach dem Hamburger Modell bei der Berechnung des pfändbaren Lohnes mit einzubeziehen seien. Die Pfändbarkeit der Zahlungen ergebe sich aus § 54 Abs. 4 SGB I. Diese Auffassung vertrete auch das Insolvenzgericht, wie sich aus einem Beschluss vom 23. November 2006 in anderer Sache ergebe (Anlage K 4, Bl. 14 f. d. A.).
Zwar handele es sich bei der Förderung des Arbeitnehmers nach dem Hamburger Modell aus Sicht des Arbeitgebers um einen „durchlaufenden Posten”. Doch bestehe eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Zahle der Arbeitgeber den Förderbetrag nicht, könne dieser vom Arbeitnehmer als Teil der an den Arbeitnehmer auszukehrenden Vergütung vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.077,40 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, zwar müsse der Kläger als Insolvenzverwalter das pfändbare Arbeitseinkommen des Schuldners zur Masse ziehen (§§ 36 Abs. 1 InsO, §§ 850 ff. ZPO). Hiervon sei die Lohnsubvention nach dem „Hamburger Modell” jedoch nicht erfasst. Diese werde zweckgebunden gezahlt, um Langzeitarbeitslose zu unterstützen, die ohne diese Unterstü...