Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung einer personenbedingten Kündigung. Loyalitätspflichten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue als Grund einer personenbedingten Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung wird in drei Schritten geprüft: Die Eignung zur Erbringung der geschuldeten Leistung ist weggefallen, dies führt zu Störungen des Arbeitsverhältnisses, die auch zukünftig andauern bzw. auftreten werden, und es ist noch eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
2. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sind die Beschäftigten im öffentlichen Dienst verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Damit unterliegen sie einer besonderen politischen Loyalitätspflicht.
3. Macht sich ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes wie z.B. ein Polizist die Ideologie der sog. Reichsbürgerbewegung zu eigen und verlautbart er dies auch ausführlich und kontinuierlich in den sozialen Medien, verletzt er seine Pflicht zur Verfassungsloyalität und zeigt, dass ihm die Eignung für die Ausfüllung des Arbeitsverhältnisses mit einem von ihm zu abzuverlangenden Maß an Verfassungstreue fehlt.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; BGB § 241 Abs. 2; HmbPersVG § 80 Abs. 6, § 88 Abs. 1 Nr. 14; GewO § 109; TV-L § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.08.2021; Aktenzeichen 14 Ca 564/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. August 2021 - 14 Ca 564/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Der am xxx geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 01. Juli 2019 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 16. April 2019 (Anlage K 1, Bl. 14 f. d.A.) bei der beklagten Stadt als "Vollbeschäftigter" beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages wurde vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) bestimmt. Der Kläger war in die Entgeltgruppe 5 TV-L eingruppiert. Zuletzt erzielte der Kläger eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.826,79 €.
Die Beklagte wies dem Kläger den Arbeitsplatz eines Angestellten im Polizeidienst bei der Landesbereitschaftspolizei (LBP 10/VS) der Polizei Hamburg innerhalb der Behörde zu. Nach Absolvierung eines Einführungslehrgangs arbeitete der Kläger im Objektschutz an zugewiesenen Schutzobjekten. Zudem war der Kläger in zugewiesenen mobilen Schutzmaßnahmen als Streife sowie in der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Verkehrsflussoptimierung tätig. Für die Tätigkeit eines Angestellten im Polizeidienst existiert bei der Beklagten eine Stellenbeschreibung (Anlage B 1, Bl. 47 f. d.A.).
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Bei ihr ist ein Personalrat gebildet.
Der Kläger betreibt unter dem von ihm eingetragenen Schutzmarke "XXX" eine Homepage, einen Instagram-Account sowie einen YouTube-Kanal. Er unterhält zudem zwei Facebook-Profile unter "YYY" und "XXX". Darin veröffentlichte der Kläger Texte, Fotos und Videos. Die Kanäle waren untereinander verlinkt. Der Kläger übt eine angezeigte Nebentätigkeit als Trainer für Kommunikation und Selbstverteidigung aus.
Bis zum 02. Oktober 2020 enthielten die öffentlich zugänglichen Social Media Profile Informationen zu der Tätigkeit des Klägers bei der Polizei Hamburg. Auf dem Facebook-Profil "YYY" stellte sich der Kläger wie folgt vor: "Aktuell arbeite ich bei der Polizei und werde unter anderem für die Terrorabwehr ausgebildet" (Anlage B 2, Bl. 49 d.A.).
Auf seinem Facebook-Profil "YYY" veröffentlichte der Kläger einen - inzwischen gelöschten - Eintrag vom 29. Juli 2020, auf dem seine Sporttasche mit Polizeischriftzug in der S-Bahn zu sehen war und schrieb dazu (Anlage B 3, Bl. 50 d.A.): "Heute war ich beim Sport und fahre nun auch mit dieser Tasche in der Bahn. Es ist lustig anzuschauen, wie sich das Verhalten der Menschen ändert, wenn sie den Schriftzug POLIZEI erkennen (emoji) Haben sie alles etwas zu verbergen? (emoji)".
Auf seinem inzwischen gelöschten Linked-In-Profil gab der Kläger "Polizeidienst bei der Polizei Hamburg" an (Anlage B 4, Bl. 51 d.A.).
In einem auf seiner Homepage verlinkten Video vom 17. September 2020 fragt der Kläger (Anlage B 5, Bl. 52 d.A.): ..... Ist Deutschland besetzt oder frei? Einfach mal frei nach Schnauze!" In diesem Video führte der Kläger auszugsweise Folgendes aus:
"(...) ist für mich nicht mehr so eindeutig zu sagen "Ja, wir sind frei", sondern, also es passiert weltweit...