Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer. Entlassungsbegehren des Betriebsrats. gesetzwidriges Verhalten. wiederholte ernstliche Störung des Betriebsfriedens. Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren nach § 104 BetrVG auf Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

2. Das Entlassungsbegehren des Betriebsrats nach § 104 BetrVG verlangt neben einem gesetzwidrigen Verhalten oder einer groben Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze als zusätzliches Tatbestandsmerkmal die wiederholte ernstliche Störung des Betriebsfriedens. Eine bloße Gefährdung des Betriebsfriedens reicht nicht aus, es muss zumindest eine wiederholte erhebliche Beunruhigung unter der Belegschaft entstanden sein.

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 104

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Beschluss vom 26.02.2009; Aktenzeichen 1 BV 97/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.02.2009 – 1 BV 97/08 – abgeändert.

Die Anträge des Betriebsrats werden abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Betriebsrats auf Entlassung bzw. Versetzung eines Arbeitnehmers nach § 104 BetrVG.

Die Arbeitgeberin produziert und vertreibt Backwaren und beschäftigt ca. 980 Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gewählt, der aus 13 Personen besteht.

Der 41jährige Beteiligte zu 3., der zwei Kindern unterhaltsverpflichtet ist, ist seit dem 04.07.1988 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Zuletzt war er regelmäßig als Abteilungsleiter der sogenannten Brotschicht in der Nachtschicht eingesetzt, in der ca. 20 Mitarbeiter tätig sind.

Der Beteiligte zu 3. war Ersatzmitglied des Betriebsrats. Am 03.09.2008 und am 16.09.2008 nahm er als Ersatzmitglied für verhinderte ordentliche Betriebsratsmitglieder an Betriebsratssitzungen teil. Am 24.09.2008 nahm er auch an einer Wirtschaftsausschusssitzung teil.

Am 17.11.2006 hatte der Beteiligte zu 3. von der Arbeitgeberin eine Abmahnung (Bl. 10 d.A.) erhalten, weil er am 08.11.2006 gegen 22.30 Uhr im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer B5 L2 diesen in das Gesäß getreten hatte.

Ob es zuvor noch weitere handgreifliche oder sexuelle Übergriffe durch den Beteiligten zu 3. gegenüber anderen Mitarbeitern gegeben hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 19.11.2008 kam es wiederum in der Nachtschicht, in der der Beteiligte zu 3. als Abteilungsleiter in der sogenannten Brotschicht tätig war, zu einer Auseinandersetzung mit dem Mitarbeiter F1 D2, wobei der Beteiligte zu 3. den Mitarbeiter D2 in Brusthöhe am T-Shirt packte und ihn im Brustbereich verletzte. Ob der Beteiligte zu 3. von dem Mitarbeiter D2 hierzu provoziert worden ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Mitarbeiter D2 war daraufhin vom 19. bis zum 22.11.2008 arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 11 d.A.).

Nachdem der Mitarbeiter D2 sich unter anderem auch beim Betriebsrat wegen der Auseinandersetzung mit dem Beteiligten zu 3. vom 19.11.2008 beschwert hatte, prüfte der Betriebsrat die Beschwerde des Mitarbeiters D2. Mit Schreiben vom 26.11.2008 (Bl. 15 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass er aufgrund seiner Prüfung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Beschwerde des Mitarbeiters D2 gerechtfertigt sei; er forderte die Arbeitgeberin auf, bis zum 28.11.2008 Abhilfe zu schaffen und teilte gleichzeitig mit, dass er überprüfen lasse, ob ein Verfahren nach § 104 BetrVG einzuleiten sei.

Bereits mit Schreiben vom 23.11.2008 (Bl. 9 d.A.) hatte der Beteiligte zu 3. mitgeteilt, dass er als „stellvertretendes Betriebsratsmitglied” mit sofortiger Wirkung am 24.11.2008 zurücktrete.

Mit Schreiben vom 28.11.2008 (Bl. 13 d.A.) erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3. eine „letzte Abmahnung” wegen des Vorfalles vom 19.11.2008. Auf den Inhalt des Abmahnungsschreibens vom 28.11.2008 wird Bezug genommen. Gleichzeitig wurde mit dem Beteiligten zu 3. wegen der Vorkommnisse vom 19.11.2008 folgende Vereinbarung getroffen:

  1. „Herr B4 G1 übernimmt die Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall des Herrn D2 für den Zeitraum vom 19.11. – 22.11.2008, mithin 461,45 EUR inkl. Arbeitgeberanteil Sozialversicherung.
  2. Herr G1 verpflichtet sich, außerhalb seiner Arbeitszeit eine Maßnahme zur Vermeidung von Fehlverhalten gegenüber Mitarbeitern (z.B. Besuch eines Seminars zur Gewaltprävention/Stressmanagement oder psychologische Behandlung mit einem Mindestgesamtumfang von 10 Stunden durchzuführen). Herr G1 trägt die Gesamtkosten dieses Seminars persönlich. Herr G1 erbringt über die Teilnahme bis zum 31.05.2008 gegenüber der Geschäftsleitung einen schriftlichen Nachweis gegenüber der Geschäftsleitung. Wird der Nachweis nicht fristgemäß erbracht, so erfolgt ersatzweise die Anmeldung zu einer vergleichbaren Veranstaltung des Herrn G1 durch die Fa. B2 S1. Herr G1 hat dann die Kosten vol...

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