Die Revision wird zugelassen.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Rechner zur Verfügung, der nur unter Verwendung eines Passworts in Betrieb genommen werden kann, welches der Arbeitnehmer selbst bestimmt, hat dies ohne Hinzutreten weiterer Umstände (z.B. Erlaubnis oder Duldung privater Nutzung) nicht die Folge, dass die auf der Festplatte oder im Server vom Arbeitnehmer abgespeicherten Dateien dessen „private” Dateien darstellen. Der Arbeitgeber kann jedenfalls aus begründetem Anlass ohne Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers Zugriff auf diese Dateien nehmen.

2. Das Speichern von 17 „Hacker”-Dateien, unter denen sich eine Datei zum Entschlüsseln des „BIOS”-Passworts befindet, stellt grundsätzlich einen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers dar. Die abschließende Interessenabwägung kann auch dann zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen, wenn ein Schaden noch nicht eingetreten ist und der Mitarbeiter zuvor 24 Jahre seine Arbeitsleistung unbeanstandet erbracht hat.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Urteil vom 07.03.2003; Aktenzeichen 4 Ca 2141/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 07.03.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Hamm–4 Ca 2141/02 L – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.

Der am 29.01.1963 geborene, ledige Kläger war seit dem 01.08.1978 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Konstruktionssachbearbeiter. Die Beklagte befasst sich mit der Produktion von Großwälzlagern. Auf diesem Gebiet ist sie Weltmarkt-und Technologieführer. In der Rechenanlage der Konstruktionsabteilung werden rd. 100.000 Zeichnungen und konstruktionsbegleitende Papiere verwaltet.

Am 09.09.2002 wurde um 14.30 Uhr in der Datenabteilung des Betriebs der Beklagten Virenalarm ausgelöst. Die Meldung besagte, dass an dem Rechner des Klägers die Datei KILLCMOS.com mit Viren infiziert war. Eine Überprüfung des Rechners ergab, dass die USB-Schnittstelle aktiviert war und dass im Zeitraum vom 30.08.2002 bis 09.09.2002 mehrfach zwei unterschiedliche USB-Speichermedien (sogenannte Sticks) angeschlossen worden waren. Weitere Nachforschungen der Beklagten ergaben, dass auf dem „I”-Laufwerk des Klägers ursprünglich weitere 16 Programme installiert worden waren, die zum Entschlüsseln von Passwörtern dienen. Diese Dateien waren später zwar gelöscht worden, konnten aber anhand der Sicherungskopie wieder erstellt werden. Mit Hilfe des Programms KILLCMOS.com kann das BIOS-Passwort entschlüsselt werden. Dem Kläger war bekannt, dass er externe Programme nicht auf Laufwerke der Beklagten kopieren durfte. Da der Kläger seinem Kollegen K6xxx sein persönliches Passwort mitgeteilt hatte, konnte dieser auf die Laufwerke des Servers Zugriff nehmen, soweit sie dem Kläger zugeordnet waren. Der Zugriff auf das BIOS-Systemprogramm erlaubt das Zu- und Abschalten der Hardware sowie das Aktivieren und Deaktivieren der USB-Schnittstellen.

Am 10.09.2002 fand ein Gespräch mit dem Kläger statt, an dem für die Beklagte die Herren G4xxxx, H4xxxx (Vorsitzender des Betriebsrats), K5xxxx, M2xxxxxxx und S6xxxx teilnahmen. Später wurde der Arbeitskollege des Klägers Herr K6xxx hinzugezogen. Über dieses Gespräch verhält sich ein Protokoll vom 11.09.2002, in dem es u.a. wörtlich heißt:

„Im ersten Gespräch mit Herrn S1xxxxxxx leugnete dieser zunächst, ein externes Laufwerk angeschlossen zu haben, noch kenne oder besitze er einen USB-Sticker. Auf massiven Druck der Gesprächsteilnehmer gab Herr S1xxxxxxx letztendlich zu, am 09.09.2002 auf Bitten des Herrn K6xxx einen USB-Sticker mit der oben genannten „Hackersoftware” (das Programm „KILLCMOS.com”) angeschlossen zu haben. Er betonte ausdrücklich, dass er den Sticker von Herrn K6xxx zwecks Anschluss an seinen PC erhalten hat.

Daraufhin wurde Herr K6xxx zum Gespräch eingeladen. Herr K6xxx versuchte anfangs glaubhaft zu machen, dass er nicht mitbekommen habe, dass am 09.09.2002 eine Virusmeldung ausgelöst worden sei, noch kenne oder besitze er einen USB-Sticker.

Erst nachdem in dem Gespräch Herrn K6xxx die Aussage des Herrn S1xxxxxxx mitgeteilt wurde, gab Herr K6xxx zu, dass er – nur am 09.09.2002 – Herrn S1xxxxxxx den USB-Sticker zwecks Anschluss an den PC von Herrn S1xxxxxxx gegeben habe. Trotz intensiver, mehrmaliger Nachfragen aller Gesprächsteilnehmer und des Angebotes einer Bedenkzeit blieb Herr K6xxx zu diesem Zeitpunkt bei der Darstellung, ausschließlich am 09.09.2002 Herrn S1xxxxxxx den Sticker übergeben zu haben.

Aufgrund dieser Aussagen wurde ein gemeinsames Gespräch mit beiden Herren geführt. In dem Gespräch machte Herr S1xxxxxxx nach langem Hin und Her die Aussage, dass Herr K6xxx am 30.08.2002 den USB-Sticker mitgebracht habe. Da dieser an dem PC des Herrn K6xxx (dies sei ihm von Herrn K6xxx mitgeteilt worden) nicht angeschlossen werden konnte, sei er von Herrn K6xxx gebeten worden, den Sticker an seinem PC anzuschließen. Weiter räumte er ein, wie durch die EDV-Auswertu...

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