Rechtmäßige Kündigung wegen unbefugter Datenweitergabe
Arbeitnehmende, die vermeintliche oder tatsächliche Missstände im Unternehmen aufdecken wollen, riskieren oft die fristlose Kündigung. Grundsätzlich verletzen sie durch externe Hinweise ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwer. Vorliegend hat die Mitarbeiterin rechtswidrig Emails am Arbeitsplatz gelesen, die nicht für sie bestimmt waren. Den Anhang einer E-Mail, einen privaten Chatverlauf zwischen zwei Personen, kopierte sie und gab ihn an Dritte auf einem USB-Stick weiter.
Der Umstand, dass die Arbeitnehmerin damit Beweise für einen möglichen Missbrauch durch den evangelischen Pfarrer gegenüber einer sich im Kirchenasyl befindlichen Frau sichern wollte, rechtfertigte die Verletzung des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts des betroffenen Pfarrers nicht.
Kirchenmitarbeiterin leitet privates Chatprotokoll weiter
Die Arbeitnehmerin ist seit 23 Jahren in der Verwaltung einer evangelischen Kirchengemeinde beschäftigt. Ihre Tätigkeit berechtigt sie - soweit es für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich ist – auch dazu, dauf den Dienstcomputer des Pastors zuzugreifen. Auf der Suche nach einer Rechnung stieß sie auf eine E-Mail. Darin wurde der Pfarrer darauf hingewiesen, dass gegen ihn wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau ermittelt werde.
Die Mitarbeiterin durchsuchte die E-Mail-Kommunikation weiter und fand eine Datei im Anhang mit einem Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau. Diesen speicherte sie auf einem USB-Stick. Wenig später leitete sie das Chatprotokoll anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde sowie eine Woche später an die Staatsanwaltschaft weiter.
Fristlose Kündigung wegen unbefugter Datenweitergabe
Nachdem der Kirchengemeinde im September 2020 dieses Vorgehen bekannt wurde, kündigte sie als Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Mitarbeiterin wehrte sich gegen die Kündigung und begründete ihr Verhalten damit, dass sie die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise für das Ermittlungsverfahren habe sichern wollen.
Verstoß gegen arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht
Das LAG Köln erklärte die fristlose Kündigung für wirksam. Die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Aachen, erkannte zwar in dem Verhalten einen an sich wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung. Diese sei aber wegen des langen unbelasteten Arbeitsverhältnisses und der fehlenden Wiederholungsgefahr unverhältnismäßig.
Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Köln war das Vertrauensverhältnis zwischen Kirchengemeinde und Mitarbeiterin durch deren Verhalten unwiederbringlich zerstört. Auch wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die mit der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten einhergeht, lag für das Gericht ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht vor.
Beweggründe rechtfertigen schwere Pflichtverletzung nicht
Die Beweggründe der Mitarbeiterin, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, rechtfertigten den Verstoß nach Auffassung des Gerichts nicht, da sie mit ihrer Vorgehensweise keines der angegebenen Ziele habe erreichen können. Das Ziel der Aufklärung oder Beweissicherung hätte mit einer Weitergabe an das Landeskirchenamt erreicht werden können.
Die Abwägung des LAG Köln ergab, dass das Interesse der Kirchengemeinde, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, angesichts der Schwere der Pflichtverletzung das Beschäftigungsinteresse der Mitarbeiterin deutlich überwog.
Interne Klärung statt Weitergabe an Dritte
Für die Arbeitnehmerin sei erkennbar gewesen, dass der Arbeitgeber auch das Lesen, Ausdrucken und Kopieren der Daten sowie deren Weitergabe nicht billigen würde, zumal er ihr den Zugriff auf das E-Mail-Konto nur im Hinblick auf ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung - die Buchführung - eingeräumt hatte. Ebenso habe ihr klar sein müssen, dass eine Weitergabe privater Daten an Dritte, möglicherweise mit Ausnahme der Staatsanwaltschaft oder des Landeskirchenamtes, für den Arbeitgeber nicht hinnehmbar war. Die Arbeitnehmerin hätte in jedem Fall zunächst ohne Weitergabe der Daten eine arbeitgeberinterne Klärung versuchen müssen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Hinweis: LAG Köln, Urteil vom 2. November 2021, Az: 4 Sa 290/21; Vorinstanz: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 22. April 2021, Az: 8 Ca 3432/20
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