Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstbefristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Unbeachtliche Behauptung des Arbeitnehmer "ins Blaue hinein" hinsichtlich des Schriftformerfordernisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG. Berufung des Arbeitgebers auf die Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung für den Fall der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Höchstbefristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Behauptet der Arbeitnehmer hinsichtlich des Schriftformerfordernisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG, die arbeitgeberseitige Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag sei lediglich eingescannt, ohne dass es dafür den geringsten Anhaltspunkt gibt, handelt es sich um eine unbeachtliche Behauptung "ins Blaue hinein".
3. Ungeachtet der Frage, ob der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung eine Neubewertung des § 41 Satz 2 SGB VI erfordert, macht sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht schadensersatzpflichtig, wenn er sich Anfang 2023 auf die Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung für den Fall der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente beruft.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1, 4, § 21; BGB § 305c Abs. 1, § 126 Abs. 2 S. 1, § 307 Abs. 1 S. 2; AGG §§ 7, 10 S. 3 Nr. 5; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 41 S. 2; SGB VI a.F. § 34 Abs. 2; AGG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 05.10.2023; Aktenzeichen 3 Ca 327/23) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 5. Oktober 2023 - 3 Ca 327/23 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über Schadensersatzansprüche.
Der am 20.12.1957 geborene Kläger war seit dem 01.03.1994 als technischer Berater bei der Beklagten beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsentgelt betrug 8.004,24 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war seit dem 01.07.2006 ein Anstellungsvertrag vom 18.07.2006, der einen Dienstvertrag vom 15.02.1994 ablöste. In dem Anstellungsvertrag vom 18.07.2006 heißt es unter anderem:
" . . .
§ 3 Betriebsvereinbarungen und
Organisationsrichtlinien
Grundlage des Anstellungsvertrages sind die gesetzlichen Bestimmungen, die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels sowie die Betriebsvereinbarungen und Organisationsrichtlinien der Gesellschaft, jeweils in der aktuellen Fassung.
. . .
§ 6 Kündigung
Das Beschäftigungsverhältnis kann mit einer Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende durch schriftliche Erklärung gekündigt werden. Sofern durch Gesetz oder Tarifvertrag längere Kündigungsfristen vorgesehen sind, gelten diese für beide Vertragsparteien in gleicher Weise. Im Falle einer Kündigung (auch Eigenkündigung) kann die Gesellschaft den Mitarbeiter unter Anrechnung der Resturlaubsansprüche und etwaiger Zeitguthaben von der weiteren Arbeitsleistung freistellen. In diesem Falle sind sämtliche Gegenstände, die Eigentum der Gesellschaft sind, hierunter fallen auch Dienstfahrzeuge, unverzüglich zurückzugeben. Unberührt bleibt das Recht zur außerordentlichen Kündigung.
Das Beschäftigungsverhältnis endet, soweit nicht anders vereinbart, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter sein 65. Lebensjahr vollendet oder einen Rentenbescheid über vorzeitiges Altersruhegeld bzw. eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält oder eine entsprechende Leistung bezieht.
. . . "
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrags vom 18.07.2006 (nachfolgend: "Anstellungsvertrag"), der am 01.07.2006 rückwirkend in Kraft treten sollte, wird auf Blatt 16 bis 22 der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Er enthält an mehreren Stellen Abweichungen von den tariflichen Bestimmungen, auf die in § 3 Bezug genommen wurde. Der Kläger ist nicht tarifgebunden.
Der Anstellungsvertrag wurde dem Kläger in zweifacher Ausfertigung postalisch übersandt und trug zu diesem Zeitpunkt bereits für die Beklagte Unterschriften der Prokuristin und Bereichsleiterin Human Resources A und des Personalsachbearbeiters B. Ob zumindest die Unterschrift der Frau A eingescannt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Nachfolgend unterzeichnete der Kläger den Anstellungsvertrag seinerseits und sandte ein Exemplar am 02.08.2006 an die Beklagte zurück.
Anfang Januar 2023 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, er wolle vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen und zugleich bis zu seinem regulären Renteneintrittsdatum am 01.12.2023 das Arbeitsverhältnis mit ihr fortsetzen. Dies bekräftigte er mit einer E-Mail vom 05.01.2023. Mit Antwort-E-Mail-Schreiben vom 16.01.2023 berief sich die Beklagte auf § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrags und wies darauf hin, dass die Inanspruchnahme einer vorgezogen...