Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitgegenstand. Feststellungsklage. Empfangsvollmacht bei Kündigung. Annahmeverzug und Anzeige der Arbeitsfähigkeit. Zumutbarkeit eines Beschäftigungsangebotes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird gegen eine Kündigung, die nicht nach den Bestimmungen des Kündungsschutzgesetzes überprüft werden kann, die danach allein mögliche Feststellungsklage erhoben, ist deren Streitgegenstand nicht stets und ohne Weiteres der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das Interesse des Arbeitnehmers kann sich auf die Feststellung beschränken, dass das Arbeitsverhältnis über den durch die konkret erklärte Kündigung bestimmten Termin hinaus fortbestanden hat.

2. Der mit der Erhebung einer solchen Feststellungsklage beauftragte Rechtsanwalt ist aufgrund seiner Prozessvollmacht nicht zum Empfang späterer Kündungserklärungen bevollmächtigt.

3. Gerät der Arbeitgeber durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung in Annahmenverzug ist der Arbeiter im Falle der Arbeitsunfähigkeit bei Zugang der Kündigung nicht verpflichtet, eine Arbeitsfähigkeit anzuzeigen, wenn er noch keine Klage gegen eine Kündigung erhoben hat. Bis zum Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG bzw. im Falle der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bis zur Grenze der Verwirkung einer Klage trägt der Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit der Kündigung.

4. Fordert der Arbeitgeber während eines laufenden Bestandsschutzverfahrens wegen einer außerordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer lediglich zur Aufnahme der Arbeit auf und verbindet diese Aufforderung mit einer weiteren außerordentlichen Kündigung, die er (auch) auf neue schwerwiegende Vorwürfe stützt, wird weder der Annahmeverzug des Arbeitgebers beendet noch liegt ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs vor, wenn der Arbeitnehmer diesem Beschäftigungsangebot nicht nachkommt.

 

Normenkette

ZPO § 256; BGB § 130 Abs. 1, § 164 Abs. 3, § 615 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen 5 Ca 1890/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 9. Dezember 2003 – 5 Ca 1890/03 – abgeändert und wie folgt zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 1. Mai 2003 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Juni 2003 beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Kraftfahrer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

– für den Monat Mai 2003 1.727,20 EUR brutto abzüglich 589,20 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juni 2003,

für den Monat Juni 2003 1.900,00 EUR brutto abzüglich 841,96 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2003 sowie

– für den Monat Juli 2003 1.900,00 EUR brutto abzüglich 751,13 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2003

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz auf 17.100,00 EUR und für das Berufungsverfahren auf 13.017,71 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 12. Juni 2003, sowie um Vergütungsansprüche des Klägers aus Annahmeverzug.

Die Beklagte betreibt eine Spedition, bei der der Kläger seit dem 1. März 2003 als Kraftfahrer zu einer monatlichen Vergütung von 1.900,00 EUR brutto beschäftigt war. Er fuhr dabei eine feste Tour, die die Beklagte im Auftrag der Firma S5xxxxxxxxx aus B1xxxxxxx durchführte. Die Arbeitszeit begann jeweils um 23:00 Uhr mit dem Beladen des Fahrzeuges. Soweit keine Verzögerungen eintraten, wurde etwa gegen 1:00 Uhr die Fahrt angetreten. Die Tour dauerte in der Regel bis etwa 8:00 Uhr morgens.

In der Zeit vom 24. April 2003 bis 27. April 2003 hatte der Kläger Urlaub. Am 28. April 2003 sollte er seine Arbeit wieder mit dem Beladen des Fahrzeuges aufnehmen, was jedoch nicht geschah. Auch am 29. April 2003 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Am 1. Mai 2003 war wegen des Feiertages keine Tour zu fahren. Allerdings hätte der Kläger für die Tour am Folgetag um 23:00 Uhr zur Arbeit erscheinen müssen. Er trat die Arbeit wiederum nicht an. Darauf hin fand nachts zwischen den Parteien ein Telefongespräch statt. Anlässlich dieses Telefonats erklärte der Inhaber der Beklagten, dass der Kläger nicht mehr wieder zu kommen brauche. Der Kläger arbeitete danach nicht mehr für die Beklagte. Diese rechnete bis zum 30. April 2003 das Arbeitsverhältnis ab, füllte die ihr vom Kläger überlassene Arbeitsbescheinigung für das Arbeitsamt aus und übersandte diese zusammen mit der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2003 an den Kläger. Ab dem 12. Mai 2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe.

Mit der der Beklagten am 4. Juni 2003 durch Nieder...

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