Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung von Mitarbeitern
Leitsatz (amtlich)
Zur Unterrichtung des Betriebsrats über in einem Bewerbungsmanagementsystem hinterlegte Bewertungen und Kommentare der Recruiter
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Unterrichtung des Betriebsrats über ein Bewerbungsverfahren sind alle Unterlagen vorzulegen, die der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt hat. Dazu gehören auch die von dem Arbeitgeber anlässlich der Bewerbung selbst erstellten Unterlagen. Dazu gehören auch mithilfe eines Bewerbungsmanagementssystems erstellte Rankings und Matching der Bewerber sowie eine Dokumentation der genutzten Funktionalitäten.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 28.03.2019; Aktenzeichen 5 BV 506/18) |
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur geplanten Einstellung der vorläufig beschäftigten Frau L B .
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der biomedizinischen Forschung für die Therapie schwerer Krankheiten mit dem Fokus auf Zellisolierung, Immuntherapie und Geweberegeneration. Sie beschäftigt an ihrem Hauptsitz in B G ca. 1.700 Arbeitnehmer und nach eigener Darstellung weltweit mehr als 3.000 Mitarbeiter.
Für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter nutzt die Arbeitgeberin die Software Softgarden-Bewerbungsmanagement. Das Bewerbermanagement-Tool ermöglicht ausweislich des Nutzer-Handbuchs einem für die Stellenausschreibung zusammengesetzten Recruiting-Team, mit Bewerbern zu kommunizieren, sie zu vergleichen und nach gemeinsam festgelegten Kriterien zu bewerten. Dazu wird für die einzelnen Bewerber eine virtuelle Bewerbungsmappe angelegt, die aus insgesamt acht Abschnitten besteht, in denen verschiedene Tools aufgerufen werden können. Die Bewertung von Bewerbern erfolgt entweder direkt über Sterne im Profil-Bereich oder bei vordefinierten Fähigkeiten im Bereich Bewerberübersicht. In der Bewerberübersicht findet sich auch die Rubrik Team Chat, in der Kommentare zu dem Bewerber eingegeben werden können. Die Kommentare sind für alle Mitarbeiter sichtbar, die Zugriff auf den Bewerber haben, und können nachträglich weder bearbeitet noch gelöscht werden.
In der Zeit vom 06.08.2018 bis zum 20.08.2018 schrieb die Arbeitgeberin zum 01.11.2018 die Position CAP Programmer in der Abteilung MACS Services intern aus. Das in der Ausschreibung ausgewiesene Bewerberprofil ("Your Profile") verlangte ua. den Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums oder einer vergleichbaren wissenschaftlichen Ausbildung, eine mehrjährige Laborerfahrung, eine feldübergreifende biologische Expertise, Erfahrungen in der Durchflusszytometrie, Zellkultur, funktionalen Untersuchung und der Labor-Automation sowie Referenzen im Vertrieb und Marketing.
Am 17.08.2018 bewarb sich der bei der Arbeitgeberin bereits beschäftigte Herr Bi , mit dem am 24.08.2018 ein Vorstellungsgespräch geführt wurde. Am 10.08.2018 führte die Arbeitgeberin ein Vorstellungsgespräch mit Frau B , die sich ursprünglich auf eine ähnliche Stelle beworben hatte. Da ihr Profil der Arbeitgeberin für die Ausschreibung CAP Programmer passend erschien, hatte sie Frau B angesprochen, ob sie sich auch für die nunmehr ausgeschriebene Stelle interessiere.
Mit einem Anhörungsbogen vom 27.08.2018 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu der zum 01.11.2018 beabsichtigten unbefristeten Einstellung von Frau B an. Der Anhörungsbogen enthielt die Mitteilung, dass es eine interne Bewerbung des Mitarbeiters Bi gegeben habe. Zu Frau Brückner enthielt der Anhörungsbogen folgenden Informationen:
Name: B
Vorname: L
Geburtsdatum: nicht bekannt
Familienstand: nicht bekannt
Beruf: Master of Science
Bisherige Tätigkeit: PhD Studentin
Wochenarbeitszeit: 40 Stunden
Frei verhandeltes Jahresentgelt: 55.000 EUR
In der Begleit-E-Mail führte die Arbeitgeberin aus, dass Frau B über eine deutlich stärkere Expertise im Bereich der Durchflusszytometrie verfüge, sie eine größere Potenzialträgerin auch für zukünftige Aufgaben sei, hinsichtlich der Interaktion mit Kunden mehr überzeuge sowie einen stärkeren interkulturellen Hintergrund habe.
Zudem erhielt der Betriebsrat über das Bewerbungsmanagementsystem Einblick in den dort aus dem ersten Bewerbungsverfahren hinterlegten Lebenslauf und das Motivationsschreiben der Frau B .
Mit E-Mail-Schreiben vom 30.08.2018 widersprach der Betriebsrat der Einstellung von Frau B unter Bezugnahme auf § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, weil die Arbeitgeberin bei der Nutzung des Bewerbermanagement-Tools eine Auswahlrichtlinie ohne seine vorherige Beteiligung angewandt und den internen Bewerber trotz Eignung nicht berücksichtigt habe, sowie unter Berufung auf § 99Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, weil die Arbeitgeberin Frau B vor Ablauf der Ausschreibungsfris...