Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessener Nachtarbeitszuschlag gem. § 6 Abs. 5 ArbZG
Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsgrundlage für einen "angemessenen Ausgleich für Dauernachtarbeit" in § 6 Abs. 5 ArbZG ist durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls auszufüllen. Für das Austragen von Zeitungen in Dauernachtarbeit ist ein Ausgleich durch einen Zuschlag von 30 % auf das Bruttoarbeitsentgelt regelmäßig angemessen.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; ArbZG § 6 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 01.09.2020; Aktenzeichen 6 Ca 8536/19) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.09.2020 - 6 Ca 8536/19 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe angemessener Nachtarbeitszuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG.
Die Beklagte gehört zum Verlagskonzern D . Sie betreibt die Zustellung der Zeitungstitel des Medienhauses die D R an Abonnenten. Sie beschäftigte rund 1050 Zusteller; ein Betriebsrat ist gebildet
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 17. August 2010 als Zeitungszustellerin beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages, der eine zweistufige dreimonatige Ausschlussfrist enthält, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Verwiesen wird darüber hinaus auf den Inhalt einer zwischen der "R R GmbH & Co. KG" und dem Betriebsrat der "R R GmbH & Co. KG" geschlossenen Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016, die einen Verzicht der Arbeitgeberin auf die Einhaltung der Ausschlussfristen für bisher nicht verfallene Ansprüche der Zeitungszusteller auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlages vorsieht. Schließlich wird auf die Betriebsvereinbarung zur "innerbetrieblichen Lohngestaltung" vom 23.12.2016 verwiesen. Diese sieht vor, dass ein angemessener Nachtzuschlag für die bis zum 31.12.2016 eingestellten Arbeitnehmer mindestens 20 % und für die ab dem 01.01.2017 eingestellten Abnehmer mindestens 10 % beträgt.
Die Klägerin trägt auf Anweisung der Beklagten werktags bis spätestens 06:00 Uhr Tageszeitungen aus. Die Zeitungen wurden regelmäßig spätestens um 3:00 Uhr an einem festen Ablageort deponiert. Im Zeitraum von Januar 2016 bis Oktober 2019 arbeitete die Klägerin regelmäßig an allen Werktagen mehr als zwei Stunden in der Zeit zwischen 01:30 Uhr und 06:00 Uhr. Die Beklagte vergütete die Arbeitsleistung mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Daneben leistete sie einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 20 % auf den Bruttostundenlohn.
Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 09.12.2019 von der Beklagten die Zahlung eines Nachzuschlages i. H. v. 30 % ab dem 01.01.2016. Diesen Anspruch verfolgt die Klägerin mit ihrer am 23.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 13.01.2020 zugestellten Klage weiter. Die rechnerisch unumstrittene Vergütungsdifferenz für die Januar 2016 bis Oktober 2019 beläuft sich auf3.817,53 Euro brutto.
Die Klägerin hat gemeint, für ihre dauerhaft während der Nachtzeit versehene Arbeitsleistung sei ein Zuschlag von insgesamt 30 % auf das Bruttoarbeitsentgelt angemessen. Selbst wenn sich die Beklagte für ihr Zustellkonzept auf die Medienfreiheit berufen könne, dürfe das den Gesundheitsschutz der Nachtarbeitnehmer nicht unterlaufen, der durch § 6 Abs. 5 ArbZG gewährleistet werde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.817,53 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin verrichte eine leichte Tätigkeit, die zwingend in der Nacht erfolgen müsse. Die von der Klägerin angestrebte Erhöhung des Zuschlags um 10 Prozentpunkte gefährde die Medienfreiheit. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte behauptet, ihre Unternehmensgruppe habe ebenso wie alle deutschen Tageszeitungsverlage im Streitzeitraum unter erheblichem wirtschaftlichem Druck gestanden. Schon seit Jahren sei ein stetiger und signifikanter Rückgang der Anzeigen- und Beilagenumsätze, der Auflagenzahlen und der Abonnementkunden zu beklagen gewesen. Die Vertriebskosten hätten sich in demselben Zeitraum vor allem durch die Vorgaben des Mindestlohngesetzes überproportional erhöht. Sie hat sich auf ihre Grundrechte berufen. Mögliche Ansprüche der Klägerin seien zudem verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Der Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Sie beruft sich weiterhin auf ihre Grundrechte und den Zweck des § 6 Abs. 5 ArbZG. Zu berücksichtigen sei, dass Zeitungszustellung eine leichte Tätigkeit sei und nur im geringen Umfang Nachtarbeit in der Randzeit der Nachtzeit anfalle. Zudem falle für die Klägerin eine nur geringe Pendeldistanz an. Zu beachten sei auch die Betriebsver...