Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages für Zeitungszusteller bei 30 Prozent vom Lohn. Ausübung des Wahlrechtes durch Zahlung von Nachtarbeitszuschlag

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages von 30 Prozent vom üblichen Lohn für Zeitungszusteller ist angemessen. Für die Höhe des Nachtarbeitszuschlages ist die Schwere der Tätigkeit nicht relevant.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; ArbGG § 72

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 10.07.2019; Aktenzeichen 3 Ca 8357/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen 10 AZR 541/20)

 

Tenor

  1. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2019 - 3 Ca 8357/18 - hinsichtlich Ziffer 2) zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Oktober 2018 einen Nachtzuschlag für die Nachtarbeit von 2:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die vom Kläger als Zeitungszusteller zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum ab Januar 2015.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin jedenfalls seit dem 01.01.1983 als Zeitungszusteller beschäftigt. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23.11.1982.

Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Gemäß Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vom 23.11.1982 ist der Kläger verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:00 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.

In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:

"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.

2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."

Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.

Mit Schreiben vom 15.10.2018 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihm geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.

Mit seiner Klage vom 27.11.2018, die am 07.12.2018 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung der Differenzbeträge hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge weiter.

Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihm stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 zu.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

  • die Beklagte zu verurteilen, an ihm für die Zeit von Januar 2015 bis einschließlich September 2018 Nachtzuschläge in Höhe von 3.384,60 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  • 2.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Oktober 2018 Nachtzuschlag in Höhe von 30 % des Bruttoarbeitsentgelts zu zahle.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten, der dem Kläger bisher geleistete Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 20 % des ihm gewährten Lohns sei angemessen im Sinne des § 6 Absatz 5 ArbZG. Die Frage der Angemessenheit sei dabei im Licht der Pressefreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG zu beantworten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die dem Kläger obliegende Zeitungszustellung eine leichte Tätigkeit darstelle, die auch gemäß dem Jugendar...

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