Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung des Wahlrechts von Arbeitgeberseite durch Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen zum Ausgleich der Belastungen durch Nachtarbeit. Nachtarbeitszuschlag von 25% für Zeitungszusteller angemessen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des Bruttoentgeltes ist angemessen.

Minderungen oder Erhöhungen bei unterschiedlichen Belastungsszenarien sind zulässig.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 5; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 14 Ca 8842/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen 10 AZR 535/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.09.2019 - 14 Ca 8842/18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die vom Kläger als Zeitungszusteller zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2019.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 01.03.1997 als Zeitungszusteller beschäftigt. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 16.12.2005.

Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages vom 16.12.2005 ist der Kläger verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:00 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.

Gemäß § 9 des Arbeitsvertrages vom 16.12.2005 ist eine Ausschlussklausel mit folgendem Inhalt geregelt:

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats Frist nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt.

In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:

"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.

2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."

Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.

Mit seiner Klage vom 20.12.2018, die am 21.12.2018 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, und mit Klageerweiterungen vom 22.03.2019 bzw. 23.07.2019 macht der Kläger die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihm geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.

Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihm stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 bis einschließlich Juni 2019 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da der Kläger an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ein Herabsetzen des Regelsatzes für Dauernachtarbeit von 30 % des üblichen Lohns zu rechtfertigen wäre, seien nicht gegeben.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.239,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 681,29 € seit dem 01.01.2016, aus 661,61 € seit dem 01.01.2017, aus 928,24 € seit dem 01.01.2018 sowie aus 968,84 € seit dem 01.12.2018 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 231,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 88,14 € brutto seit dem 01.01.2019, aus 103,58 € brutto ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge