Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtzuschlag für Zeitungszusteller in Höhe von 25% des Bruttoarbeitsentgeltes angemessen. Kürzungsmöglichkeiten des Nachtzuschlages bei niedrigerer Belastung möglich. Einmonatige Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis als AGB-Regelung unwirksam
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Nachtzuschlag kann gekürzt werden, wenn die Belastung deutlich niedriger als im Durchschnitt ist. Dies ist bei Zeitungszustellern regelmäßig nicht der Fall.
2. Abweichungen nach unten bei der Höhe des Nachtzuschlages sind auch dann berechtigt, wenn die Nachtarbeit aus Gründen des Allgemeinwohls zwingend erforderlich ist.
Normenkette
ArbZG § 6; GG Art. 5; ArbZG § 2; BGB §§ 307, 310
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 03.07.2019; Aktenzeichen 20 Ca 8603/18) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.07.2019 - 20 Ca 8603/18 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags für die vom Kläger als Zeitungszusteller zu verrichtende Nachtarbeit im Zeitraum von Januar 2015 bis Juli 2017.
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 01.11.2008 als Zeitungszusteller beschäftigt. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 20.10.2008.
Die Beklagte ist ein Zustellbetrieb und stellt die Zeitungstitel der M D R (K -S , K R , E ) in ihrem Zustellterritorium an die jeweiligen Abonnenten zu. Bei der Beklagten sind ca. 1.050 Zusteller beschäftigt. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages vom 20.10.2008 ist der Kläger verpflichtet, die angelieferten Zeitungen täglich bis 06:00 Uhr an die vorgegebenen Adressen auszutragen.
Gemäß § 8 des Arbeitsvertrages vom 20.10.2008 ist eine Ausschlussklausel mit folgendem Inhalt geregelt:
Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats Frist nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt.
In der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2016 regelte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat Folgendes:
"1. Die Arbeitgeberin verzichtet bezüglich solcher Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Nachtzuschlags, die zum heutigen Tag nicht bereits verfallen sind. Auf die Einhaltung etwaiger Verfallfristen durch die Arbeitnehmer, die als Zeitungszusteller bei ihr beschäftigt sind oder waren. Die Frage der angemessenen Höhe ist zwischen den Parteien streitig.
2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, einen höheren Nachtzuschlag als 10 % an alle bei ihr beschäftigten Zeitungszusteller zu zahlen, wenn im Rechtsstreit eines Zeitungszustellers, der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist oder war, durch rechtskräftiges Urteil ein höherer Nachtzuschlag als 10 % als angemessen festgestellt worden ist (einer Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht). Diese Verpflichtung übernimmt die Arbeitgeberin durch diese Betriebsvereinbarung für spätestens für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils."
Unter Ziffer I.3. der Betriebsvereinbarung zur innerbetrieblichen Lohngestaltung vom 23.12.2016 ist hinsichtlich eines angemessenen Nachzuschlags als Lohnbestandteil geregelt, dass dieser für bis zum 31.12.2016 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 20 % und für ab dem 01.01.2017 eingestellte Arbeitnehmer mindestens 10 % betrage.
Mit Schreiben vom 27.11.2018 macht der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung einer Nachtarbeitszulage von 30 % als angemessen geltend und fordert mit Rücksicht darauf, für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 für die von ihm geleistete Nachtarbeit den entsprechenden Differenzbetrag zu den von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 20 % nachzuzahlen.
Mit seiner Klage vom 14.12.2018, die am 17.12.2018 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung der Differenzbeträge hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge weiter.
Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, ihm stehe ein Anspruch auf Differenzzahlung zwischen der von der Beklagtenseite geleisteten Zuschlagshöhe von 20 % des Lohns zu geschuldeten 30 % für den Zeitraum ab Januar 2015 bis einschließlich Juli 2017 zu. Die Voraussetzungen der zuschlagspflichtigen Nachtarbeit im Sinne des § 6 ArbZG lägen vor, da der Kläger an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leiste und die tägliche Arbeitszeit dabei mehr als zwei Stunden während der Nachtzeit liege und den Zeitraum von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasse, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 ArbZG erfüllt seien. Gründe, aufgrund deren ein Herabsetzen des Regelsatzes für Dauernachtarbeit von 30 % des üblichen Lohns zu rechtfertigen wäre, seien nicht gegeben. Den Grundsätzen der Pressefreiheit der Beklagten im Sinne des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG sei durch die zugunsten der Presseunternehmen geltende ...