Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehaltsüberzahlung. ungerechtfertigte Bereicherung. Entreicherungseinwand. Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld. tarifvertragliche Ausschlussfrist. Hemmung der Verjährung. treuwidrige Berufung auf Ausschlussfrist. Arbeitsentgelt. Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers bei Gehaltsfortzahlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hinweispflicht des Arbeitnehmers. Treuwidrige Berufung auf tarifliche Verfallfristen
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem angestellten Klinikarzt aufgrund dessen Eigenkündigung irrtümlich noch zehn Monate lang das volle Gehalt - zwischen 3.771,-- € und 3.899,- € netto monatlich - weitergezahlt und dem ehemaligen Angestellten dabei insgesamt 8 Gehaltsabrechnungen übersandt, so kann der ehemalige Arbeitnehmer in Ermangelung ganz außergewöhnlicher Umstände nicht damit gehört werden, weder ihm, noch seiner den Haushalt führenden Ehefrau sei die fortlaufende Überzahlung aufgefallen.
2. Bei dem Anspruch des Arbeitgebers auf Rückerstattung zu viel gezahlter Gehälter handelt es sich auch dann um einen "Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne von § 37 TVöD, wenn die irrtümliche Gehaltsüberzahlung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist.
3. Auch wenn ein Arbeitnehmer eine Gehaltsüberzahlung nicht durch eigenes aktives Tun veranlasst hat, gebietet es die aus dem Arbeitsverhältnis erwachsende Loyalitätspflicht, den Arbeitgeber unverzüglich auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen. Diese Loyalitätspflicht wirkt auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus nach, wenn die Überzahlung gerade darauf beruht, dass die Zahlstelle des Arbeitgebers das Ende des Arbeitsverhältnisses versehentlich nicht registriert hat.
4. Verletzt der Arbeitnehmer seine Loyalitätspflichten, indem er die Überzahlungen fortlaufend entgegennimmt, ohne den ehemaligen Arbeitgeber auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen, so ist es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber einer später erfolgenden Rückzahlungsaufforderung auf tarifvertragliche Verfallfristen zu berufen.
5. Zu den Voraussetzungen einer Hemmung der Verjährung aufgrund von "Verhandlungen" der Parteien.
Normenkette
BGB §§ 203, 242, 812, 814, 818-819; TVöD § 37; BGB § 201
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.07.2011; Aktenzeichen 17 Ca 10550/10) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.07.2011 in Sachen 17 Ca 10555/10 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 46,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung zu viel gezahlter Gehälter.
Der am 1964 geborene Beklagte war mit einer zehnmonatigen Unterbrechung seit dem Jahre 1997 bei der klagenden Universität als Angestellter beschäftigt. Der zuletzt maßgebliche Arbeitsvertrag datierte vom 27.01.2007 und bezog sich auf eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Zeit ab 01.01.2007. Der Beklagte war in die Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte eingruppiert. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.04.2007 selbst zum 15.05.2007 und schied zu diesem Zeitpunkt bei der Klägerin aus.
Die Vergütungsabrechnungen und -auszahlungen für die Angestellten der Klägerin wurden zum damaligen Zeitpunkt durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung in D abgewickelt. Die Personalabteilung der Klägerin meldete dem Landesamt für Besoldung und Versorgung mit Schreiben vom 04.05.2007 das Ausscheiden des Beklagten zum 15.05.2007. Die Mitteilung trägt den Eingangsstempel des LBV vom 15.05.2007. Gleichwohl zahlte das LBV das Gehalt des Beklagten samt Nebenleistungen in voller Höhe zunächst über den 15.05.2007 hinaus fort. Das regelmäßige Gehalt des Beklagten belief sich seinerzeit zunächst auf 5.156,65 € brutto, ab Januar 2008 auf 5.306,65 € brutto, jeweils zuzüglich Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung und Kindergeld für ein Kind. Dem Bruttogehalt des Beklagten korrespondierten Nettoauszahlbeträge in Höhe von zunächst 3.771,51 €, zuletzt von 3.899,42 € monatlich. Erst als die Personalabteilung der Klägerin im März 2008 die Akte des Beklagten ablegen wollte, fiel auf, dass die Klägerin auf die Änderungsmitteilung vom 04.05.2007 hin vom LBV keine Rückantwort erhalten hatte. Nunmehr stellte sich heraus, dass das LBV die Vergütung des Beklagten über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.05.2007 hinaus versehentlich weitergezahlt hatte. Ebenso hatte das LBV dem Beklagten in den Monaten Mai, Juni, Juli, August und Dezember 2007 sowie Januar, Februar und März 2008 weiterhin Gehaltsabrechnungen zugesandt.
Erstmals mit Schreiben vom 16.04.2008 machte das LBV beim Beklagten die Rückzahlung der überzahlten Gehaltsbeträge geltend. Daraufhin entspann sich in der Zeit bis zum 26....