Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung des Geschlechts durch Kündigung. Schwangerschaft als eigentlicher Kündigungsgrund. Motivbündel bei Kündigungsentschluss des Arbeitgebers. Diskriminierung einer schwangeren Mitarbeiterin. Entlastungsbeweis des Arbeitgebers im Rahmen des § 22 AGG. Entschädigung von 4250 Euro wegen Diskriminierung
Leitsatz (amtlich)
Die Vermutungs- bzw. Indizwirkung des § 22 AGG greift bzgl. einer Diskriminierung wegen des Geschlechts ein, wenn ein Arbeitgeber (Rechtsanwalt) im Nachgang zu einer Kündigung der gekündigten Arbeitnehmerin, die zuvor eine Fehlgeburt hatte, schriftlich mitteilt, dass sie, wenn ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, für die zu besetzende Stelle (Dauerarbeitsplatz) nicht in Frage kommt. Eine derartige Äußerung belegt, dass die kurz zuvor ausgesprochene Kündigung wegen befürchteter Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses infolge einer zukünftigen Schwangerschaft ausgesprochen wurde. Damit ist das Geschlecht der gekündigten Arbeitnehmerin in diskriminierender Weise Teil des Motivbündels bzgl. des Kündigungsentschlusses. In konkreten Einzelfall gelang dem Arbeitgeber der "Entlastungsbeweis" nicht.
Normenkette
BGB § 134; AGG § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1, §§ 22, 15 Abs. 2; ArbGG § 61b Abs. 1; KSchG §§ 1, 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 28.09.2017; Aktenzeichen 6 Ca 1413/17) |
Tenor
- Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Köln vom 28.09.2017 (6 Ca 1413/17), berichtigt durch Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17.11.2017, werden jeweils zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 25 % und der Beklagte zu 76 %. Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem fortzusetzenden Berufungsverfahren zuletzt noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb während der Wartefrist sowie über einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Der Beklagte ist Rechtsanwalt und betreibt eine Kanzlei in Köln mit einem angestellten Rechtsanwalt, einer angestellten Rechtsanwältin, drei weiblichen Rechtsanwaltsfachangestellten, einer Auszubildenden und drei als stundenweise Aushilfe beschäftigten weiteren weiblichen Rechtsanwaltsfachangestellten. Nach eigenen Bekundungen bearbeitet der Beklagte seit über 25 Jahren arbeitsrechtlichen Mandate überwiegend auf Arbeitgeberseite. Bei dem Beklagten war im streitgegenständlichen Zeitraum ua. Frau S T beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis zur Zeugin zum 31.12.2019 endete. Ende des Jahres 2016 ging eine der Vollzeitkräfte wegen der Geburt ihres Kindes in Mutterschutz und sich anschließende Elternzeit.
Die Klägerin, deren Geburtsname J ist und die am .1976 geboren ist, schloss mit dem Beklagten unter dem 25.11.2016 einen Anstellungsvertrag, bzgl. dessen Wortlaut auf Bl. 15-23, 103-111 d.A. Bezug genommen wird. Auf dieser Grundlage trat die Klägerin am 02.01.2017 auf Basis einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.950,- Euro ihre Arbeit als Rechtsanwaltsfachangestellte im Sekretariat in der Kanzlei des Beklagten an.
Unter dem 10.01.2017 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 17.03.2017, Bl. 67, 96 d.A.) beantragte die Klägerin Sonderurlaub für ihre bevorstehende Hochzeit am 17.03.2017, den der Beklagte genehmigte.
Am 24.01.2017 setzte die Klägerin den Beklagten telefonisch über die am gleichen Tag erlittene Fehlgeburt im frühen Schwangerschaftsstadium und ihre bis zum 27.01.2017 andauernde Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis. Der Klägerin wurde durch Attest eines Gynäkologen aus H (Anlage B 3 zur Klageerwiderung vom 17.03.2017, Bl. 98, 113 d.A.) eine Arbeitsunfähigkeit vom 24.01.2017 bis zum 27.01.2017 bescheinigt.
Am Montag, den 30.01.2017 nahm die Klägerin ihre Arbeit wieder auf.
Am 07.02.2017 kam es zwischen den Parteien zu einem Gespräch unter vier Augen, in dem unter anderem über die Büroorganisation und die Arbeitszeiten der Klägerin gesprochen wurde. Der weitere Inhalt des Gesprächs im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig.
Am Freitag, den 10.02.2017, erkrankte die Klägerin und verließ nach Rücksprache mit dem Beklagten ihren Arbeitsplatz. Der Klägerin wurde durch eine Erstbescheinigung eines Allgemeinmediziners aus N vom 13.02.2017 eine Arbeitsunfähigkeit vom 13.02.2017 bis zum 24.02.2017 (= zwei Wochen) attestiert. Bzgl. der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird auf Bl. 99, 116 d.A. Bezug genommen. Aus der Gerichtsakte ergibt sich, dass der ausstellende Arzt eine sog. Neurasthenie (ICD-10-Code: F.48.0 G), dh. eine psychosomatische Erkrankung, diagnostizierte.
Nach Erhalt bzgl. Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 13.02.2017 ordentlich innerhalb der Probezeit zum 27.02.2017. In dem ...