Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch einer Flugsicherheitskraft auf Vergütung der Umkleidezeit
Leitsatz (amtlich)
1. Einzelfall zu Entgeltforderungen einer Flugsicherheitskraft:
Umkleidezeiten,
Wege- und Meldezeiten,
Umfang des Urlaubsanspruchs und betriebliche Übung (hier verneint),
Höhe des tariflichen zusätzlichen Urlaubsentgelts nach § 18 MTV Aviation.
2. Umkleidezeiten sind bei "auffälliger" Dienstkleidung vergütungspflichtig (BAG v. 06.09.2017 - 5 AZR 382/16). Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Dienstkleidung einer Flugsicherheitskraft gemäß § 278 ZPO als Umkleidezeit eine Dauer von 4 Minuten pro Tag geschätzt wird.
Normenkette
BGB §§ 611, 611a; MTV Aviation § 18
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 17.01.2017; Aktenzeichen 16 Ca 6587/16) |
Tenor
I.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.01.2017 wird auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 0,27Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2016 nachzugewähren.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74,65 EUR zu zahlen
(Restvergütung wegen Umkleideverpflichtung im Zeitraum 01.02.2016 bis 30.04.2016).
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger109,84 EUR zu zahlen
(Restvergütung wegen Umkleideverpflichtung im Zeitraum 01.05.2016 bis 31.08.2016).
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79,98 EUR zu zahlen
(Restvergütung wegen Umkleideverpflichtung im Zeitraum 01.09. bis 30.11.2016).
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Umfang des Urlaubsanspruchs im Jahre 2016, um die Vergütung von Zeiten, die der Kläger für das Anziehen der Dienstkleidung und für die Meldung am Arbeitsort im Jahre 2016 aufzubringen hatte sowie um die Zahlung von Urlaubsentgelt für den Zeitraum von Juni 2015 bis Dezember 2016.
Der Kläger ist 44 Jahre alt. Er ist seit dem 21. Mai 2005 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen als Luftsicherheitskraft beschäftigt. Am Flughafen K /B , dem Einsatzbetrieb des Klägers, wird in einem Schichtsystem gearbeitet, nach dem an sechs Tagen hintereinander zu arbeiten ist, denen drei freie Tage folgen. Seit dem 01.01.2015 wendet die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend Entgelt, Sonderzahlungen, Zeitzuschläge, Urlaubsgeld, Shopping-Card usw. den MTV für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 04.09.2013 (MTV Aviation) an. Der Kläger hat hiergegen keine Einwände erhoben.
Zwischen den Parteien ist für das Jahr 2016 streitig, ob dem Kläger ein Urlaubsanspruch von 36 Arbeitstagen zusteht (so der Kläger) oder nur 28 Tage (so die Beklagte). Die Beklagte hat dem Kläger im Kalenderjahr 2016 nur diese 28 Tage gewährt. Die Differenz, also 8 Tage, ist Streitgegenstand. Zum Thema Urlaub heißt es in § 4 des Arbeitsvertrags (Bl. 113):
"... Der Angestellte erhält im Kalenderjahr einen Erholungsurlaub in einer 5-Tage-Woche von 20 Tagen."
Zum Thema Urlaubsanspruch heißt es in § 17 des MTV Aviation:
"(2) Der Erholungsurlaub des/der Beschäftigten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt je Kalenderjahr
[...]
Mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren 30 Arbeitstage
Bei einer regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit im Kalenderjahr auf mehr oder weniger Arbeitstage pro Woche erfolgt eine entsprechende Umrechnung des Urlaubsanspruchs.
Für im Jahres-/Monatsschichtplan arbeitende Beschäftigte sind Urlaubstage die im Schichtplan regelmäßig ausgewiesenen Arbeitstage.
[...]
Die Umrechnung des Urlaubs erfolgt nach der folgenden Regel:
Urlaubstage Fünftagewoche x Jahresarbeitstage / 260".
Der zwischen der Rechtsvorgängerin und ver.di abgeschlossene Überleitungstarifvertrag sah zum Thema Urlaubanspruch folgendes vor:
"§ 3 abweichende Regelungen
[...]
Im Jahre 2014 gilt folgende von § 17 Abs. 2 MTV Aviation abweichende Urlaubsstaffelung (für alle Arbeitnehmer unabhängig Teil- Vollzeitbeschäftigung):
Nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von:
[...]
Über 10 Jahren 38 Werktage
[...]
Es entsteht hieraus kein Besitzstand hinsichtlich des Urlaubsanspruchs über das Jahr 2014 hinaus. In den Jahren 2012, 2013 und 2014 waren auf den Lohnabrechnungen jeweils 36 Urlaubstage ausgewiesen."
Die Höhe des Urlaubsentgelts ist in § 18 MTV Aviation geregelt. Es besteht aus drei Komponenten, nämlich dem Regelentgelt, dem zusätzliches Urlaubsentgelt und dem Stundenwert im Arbeitszeitkonto. Zum Streit ist es zwischen den Parteien schon deshalb gekommen, weil im Jahre 2016 kein Arbeitszeitkonto geführt worden ist. Wörtlich heißt es in § 18 MTV Aviation:
§ 18 Urlaubsentgelt
(1) Im Urlaub wird das monatliche Regelentgelt gemäß § 15 dieses Manteltarifvertrages für die Dauer des Erholungsurlaubs fortgezahlt.
(2) Für das über das monatliche Regelentgelt hinausgehende monatliche Bruttoarbeitseinkommen (inkl. Zeit...