Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Reduzierung der Arbeitszeit gemäß § 8 TzBfG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das betriebliche Organisationskonzept auf der ersten Stufe der Prüfung "betrieblicher Gründe" gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG ist nicht mit der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung gleichzusetzen, sondern dieser vorgelagert. Ein betrieblicher Grund im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TZBVG liegt nicht schon allein deshalb vor, weil der konkrete Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers sich nicht unter einen vom Arbeitgeber nach eigenem Gutdünken geschaffenen numerus clausus bestimmter Teilzeitformen subsumieren lässt.

2. Können bei gleichzeitigen Teilzeitwünschen mehrerer Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen nicht alle Wünsche erfüllt werden, haben bei der Abwägung der Belange mehrerer Arbeitnehmer untereinander auch die Motive eine Rolle zu spielen, die die Arbeitnehmer für ihre Teilzeitwünsche vorbringen.

3. Ein Teilzeitvergabemodell, das ausschließlich die Bewilligung einer befristeten Reduzierung der Arbeitszeit vorsieht, entspricht nicht den Vorgaben von § 8 TzBfG.

 

Normenkette

TzBfG § 8

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 07.03.2019; Aktenzeichen 11 Ca 7305/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.03.2019 in Sachen 11 Ca 7305/18 wird zurückgewiesen mit der klarstellenden rechnerischen Berichtigung des erstinstanzlichen Urteilstenors dahingehend, dass der Teilzeit-Prozentsatz der Reduzierung der Arbeitszeit für die Freistellungszeiträume 24.01. bis 09.03. und 23.10. bis 06.12. eines jeden Kalenderjahres in Schaltjahren 24,86 % und in anderen Jahren 24,66 % beträgt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Reduzierung seiner Arbeitszeit nach § 8 TzBfG.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 07.03.2019 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 27.03.2019 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 25.04.2019 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 27.06.2019 - am 26.06.2019 begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass dem Teilzeitbegehren des Klägers betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG entgegenstünden. Die Beklagte macht u. a. geltend, die Planung für die Bereederung des jeweiligen Flugzeugmusters werde von ihr jeweils in einem Jahr für das Folgejahr vorgenommen. Unter Berücksichtigung der zugrunde zu legenden Fakten - Abhängigkeit von der Produktionsentwicklung - sei eine längerfristige Planung unmöglich. Nicht vergessen werde dürfe auch, dass gemäß § 9 MTV Nr. 5 b Cockpit ab der 71. Flugstunde eine Mehrflugstundenvergütung zu zahlen sei. Aus dieser Regelung ergäben sich bei Personalengpässen und den damit verbundenen zusätzlichen Flugstunden für bereits eingesetzte Flugzeugführer weitere Kosten.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 07.03.2019, Aktenzeichen 11 Ca 7305/18, die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagen zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte stellt in Abrede, dass die Beklagte betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG geltend machen könne, die sie berechtigten, seinen Teilzeitwunsch zurückzuweisen. Der Kläger und Berufungsbeklagte führt an, die Beklagte berufe sich auf ein Organisationskonzept für die Verteilung von Teilzeit, das aus mehreren Gründen rechtswidrig sei. Dies folge u. a. daraus, dass sich die Beklagte vorbehalten wolle, die Reduzierung der Arbeitszeit nach eigenem Gutdünken von Jahr zu Jahr erneut zu bescheiden, obwohl das TzBfG eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit in § 8 TzBfG nicht vorsehe. Selbst wenn man aber von einem gültigen Organisationskonzept ausginge, stünde sein Teilzeitverlangen dem nicht entgegen. Ein angeblicher Personalmangel existiere nicht, auch nicht für das Flugzeugmuster A 330/340. Im Gegenteil rechne die Beklagte selbst mit einem Rückgang des Flugaufkommens. Durch die begehrte Teilzeitvergabe an ihn, den Kläger, erhöhten sich die Personalkosten nicht. Die allgemein mit jeder Teilzeitarbeit einhergehenden Belastungen wie Verwaltungskosten oder die Notwendigkeit der Einarbeitung von Ersatzkräften habe die Beklagte nach dem beschäftigungspolitischen Zweck des TzBfG hinzunehmen.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungserwiderungsschrift des Klägers wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.03.2019 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 A...

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