Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Ausbildungskosten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin zur Fachpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie. Unwirksame Vereinbarung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten bei Unterzeichnung nach Beginn der Ausbildung. Unbegründete Zahlungsklage bei unzureichenden Darlegungen der klagenden Arbeitgeberin zum Tarifmerkmal der Weiterbildung “im Rahmen des Personalbedarfs„
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Arbeitnehmer ist eine von der Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten ausgehende Bindung an den Arbeitgeber nur zumutbar, wenn er mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hat (Anschluss an BAG, 15.05.1985, 5 AZR 161/84).
2. Eine Fortbildung erfolgt nur dann im Rahmen des Personalbedarfs, wenn beim Arbeitgeber innerhalb des Bindungszeitraums wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung erworbene Qualifikation Voraussetzung ist (Anschluss an BAG, 06.11.1996, 5 AZR 498/95). Je eher der Arbeitnehmer durch die Ausbildung beim Arbeitgeber entsprechend seiner Weiterbildung beruflich aufsteigen kann, desto eher ist ihm eine Bindung an den Arbeitgeber zuzumuten.
3. Erfolgt nach Ausbildungsabschluss weder die tatsächliche Zuweisung einer ausbildungsadäquaten, gegenüber der Ausgangslage qualifizierteren Tätigkeit, noch eine entsprechende Höhergruppierung, widerlegt dies einen Personalbedarf des Arbeitgebers.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rückzahlungsvereinbarung für Ausbildungskosten ist unwirksam, wenn sie erst mehr als sieben Monate nach Beginn der Aus- und Weiterbildung abgeschlossen wird.
2. Die Parteien eines Fortbildungsvertrages müssen schon zu Beginn des Vertragsverhältnisses Einigkeit darüber erzielen, unter welchen Voraussetzungen die Vergütung zurückzuzahlen ist; dabei muss auch zumindest eine Größenordnung der die Arbeitnehmerin treffende Rückzahlungsverpflichtung erkennbar sein.
Normenkette
GG Art. 12; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 611a; MTV-Fachklinik W. § 24
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 21.09.2017; Aktenzeichen 2 Ca 593/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 21.09.2017 (2 Ca 593/17) wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte war im Zeitraum vom 01.07.2014 bis 31.03.2017 als Gesundheits- und Krankenpflegerin bei der Klägerin, welche eine Klinik betreibt, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelt in § 2 Abs. 3:
"Der/die Arbeitnehmer(in) wird nach dem derzeit gültigen Tarifvertrag vom 01.07.2013 angestellt. Änderungen des Tarifvertrages werden auf diesen Arbeitsvertrag in vollem Umfang angewandt."
Der in Bezug genommene MTV Fachklinik W. in der Fassung vom 01.07.2013 trifft in § 24 folgende Regelung:
"1. Wird ein Arbeitnehmer auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfes des Arbeitgebers weitergebildet, werden sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträger bestehen, die Weiterbildungskosten vom Arbeitgeber getragen. Für die Zeit der Weiterbildung ist der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung, einschließlich der regelmäßigen Zulagen, von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Die Kosten für diese Weiterbildung trägt der Arbeitgeber.
2. Erlangt der Arbeitnehmer mit dieser beruflichen Weiterbildung eine allgemein anerkannte Qualifikation und dauert die Weiterbildung länger als insgesamt 174 Stunden ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Aufwendungen für die Weiterbildung im Sinne von Abs. 1 nach folgender Maßgabe zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitnehmers oder aus einem von ihm zu vertretenen Grundes endet.
Zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis endet.
a) im ersten Jahr nach dem Abschluss der Weiterbildung die vollen Aufwendungen
(...)
3. Für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, bei denen es sich nicht um Maßnahmen im Sinne von Abs. 1 und 2 handelt, können zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat gesonderte Regelungen bezüglich einer Freistellung bzw. Kostenübernahme vereinbart werden.
4. Vorgenannte Regelungen gelten für Fortbildungen entsprechend.
5. Die Einzelheiten regeln die Betriebsparteien im Rahmen einer Betriebsvereinbarung."
Am 30.09.2014 informierte die Klägerin sämtliche bei ihr angestellten Pflegekräfte mit einem Aushang darüber, dass sie beabsichtige, zwei Mitarbeiter/-innen zur Fachpfleger(in) für Intensivpflege und Anästhesie zu qualifizieren. Hierbei handelt es sich um eine zweijährige Fachweiterbildung, die zu einem staatlich anerkannten Abschluss führt. Fachpfleger für Intensivpflege und Anästhesie pflegen und betreuen Patienten auf den Aufwach- und intensivmedizinischen Stationen. In der Anästhesie bereiten sie die Narkose vor und assistieren dem Facharzt für Anästhesie.
Die Klägerin muss im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens nachweisen,...