Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesensmerkmale einer Änderungskündigung im Arbeitsrecht. Unzulässigkeit von Teilkündigungen im Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines als "Änderungskündigung Lohn zum 01.01.2019" bezeichneten Schreibens der Arbeitgeberin.
2. Eine Änderungskündigung im Sinne des § 2 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Willen zu erkennen gibt, sich von dem Arbeitnehmer endgültig zu trennen, sollte dieser den vorgeschlagenen Vertragsänderungen nicht zustimmen.
3. Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar.
Normenkette
KSchG § 2 S. 1, § 4 S. 2; BGB §§ 311, 611a Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 11.04.2019; Aktenzeichen 5 Ca 102/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 11.04.2019 - 5 Ca 102/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Lohnkürzung.
Der im November 1962 geborene Kläger nahm am 16.09.1991 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Beschäftigung als KFZ-Elektriker auf. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 14.09.1993 sind die regional geltenden Mantel- und Lohntarifverträge für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeug-Handwerks, -Handels und -Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses.
Im Jahr 2012 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte betreibt ein Audi-Autohaus und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Es ist ein Betriebsrat gebildet, dem der Kläger seit mehreren Jahren angehört. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrug zuletzt 37,5 Wochenstunden bei einem Stundenlohn von € 14,- brutto.
Am 25.09.2018 erhielt der Kläger das folgende Schreiben der Beklagten:
"...
Dienstag, 25. September 2018
Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018
Sehr geehrter Herr A.,
in den vergangenen Monaten wurden mehrere Personalgespräche hinsichtlich Ihrer erbrachten Leistung geführt. In diesen brachten wir zum Ausdruck, dass die Leistung weit hinter dem Durchschnitt Ihrer Kollegen liegt.
Sogar die Leistungen der eingesetzten Servicetechniker übersteigt Ihre Leistung. Mit dem Antrag an den Betriebsrat für eine Lohnreduzierung Ihres Lohns, hofften wir, dass sich Ihre Leistung verbessert wird.
Eine Überprüfung am heutigen Tag den 25.09.2018 ergab leider das Gegenteil. Ihre erbrachte Leistung (Lohn/Materialerlöse) liegt bei 70347,-€ der Durchschnitt Ihres Teams liegt bei 93547,-€.
Mitarbeiter Ihrer Altersgruppe bringen einen Umsatz in Höhe von 191841,-€ per 25.09.2018.
Da Hinweise und Aussprachen zu keinem Ergebnis führen wird Ihr Stundenlohn ab den 01.09.2018 von 14,00 auf 13,00 € reduziert.
..."
Hiergegen setzte sich der Kläger gerichtlich zur Wehr (Arbeitsgericht Schwerin - 5 Ca 1331/18 -; Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - 5 Sa 72/19 -).
Mit Schreiben vom 19.01.2019 teilte die Beklagte dem Kläger sodann Folgendes mit:
"...
Änderungskündigung Lohn zum 01.01.2019
Sehr geehrter Herr A.,
in den vergangenen Monaten wurden mehrere Personalgespräche hinsichtlich Ihrer erbrachten Leistung geführt. In diesen brachten wir zum Ausdruck, dass die Leistung weit hinter dem Durchschnitt Ihrer Kollegen liegt. (siehe Änderungskündigung Lohn von September)
Aus den gesamten Aussprachen im Jahr 2018 haben sie nichts gelernt.
Eine Überprüfung Ihrer Leistungen zum 31.12.2018 hat ergeben, dass Sie noch schlechter geworden sind.
Folgende Werte wurden festgestellt:
• Erbrachter Jahresumsatz Teile = 49886,35€ das sind 25% vom durchschnittlichen Umsatz Teile aller Kollegen von 195116,-€.
• Erbrachter Jahresumsatz Arbeitsleistungen =65182,28 € das sind 56,1% vom durchschnittlichen Umsatz aller Kollegen von 144846,-€,
• Bei dieser Auswertung muss noch berücksichtigt werden, dass Ihre Leistung den Durchschnitt negativ beeinflusst. Da Hinweise und Aussprachen zu keinem Ergebnis führten, wird Ihr Stundenlohn ab den 01.01.2019 von 13,00 auf 11,00 € reduziert.
Wir bieten ihnen an, dass Sie unter den neuen Bedingungen bei uns weiter Arbeiten können.
..."
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass das Schreiben vom 19.01.2019 keine Änderungskündigung im Sinne des § 2 KSchG beinhalte. Die Beklagte habe nicht das Arbeitsverhältnis als solches gekündigt, sondern den Kläger lediglich über eine Kürzung des Stundenlohns unterrichtet. Sollte das Schreiben dennoch als Änderungskündigung zu verstehen sein, nehme der Kläger vorsorglich das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Eine ordentliche Kündigung sei schon aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers im Betriebsrat nicht zulässig. Der Kläger bestreitet die vorgetragenen Umsatzzahlen mit Nichtwissen. Abgesehen davon sei der Ums...