Entscheidungsstichwort (Thema)
Deklaratorische Verwendung des Begriffs "Änderungskündigung" ohne konstitutive Wirkung. Erkennbarer Trennungswille des Arbeitgebers als Wesensmerkmal einer Änderungskündigung. Unzulässigkeit von Teilkündigungen im Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines als "Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018" bezeichneten Schreibens der Arbeitgeberin.
2. Eine Änderungskündigung im Sinne des § 2 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Willen zu erkennen gibt, sich von dem Arbeitnehmer endgültig zu trennen, sollte dieser den vorgeschlagenen Vertragsänderungen nicht zustimmen.
3. Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar.
Normenkette
KSchG § 2 S. 1, § 4 S. 2; BGB § 311 Abs. 1, § 611a Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 07.02.2019; Aktenzeichen 5 Ca 1357/18) |
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 07.02.2019; Aktenzeichen 5 Ca 1331/18) |
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Schwerin vom 07.02.2019 - 5 Ca 1331/18 - und - 5 Ca 1357/18 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Lohnkürzung sowie über die Zahlung eines Urlaubsgeldes.
Der im November 1962 geborene Kläger nahm am 16.09.1991 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Beschäftigung als KFZ-Elektriker auf. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 14.09.1993 sind die regional geltenden Mantel- und Lohntarifverträge für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeug-Handwerks, -Handels und -Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Danach steht dem Kläger ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 40 % einer Bruttomonatsvergütung zu. Das Urlaubsgeld ist jeweils mit dem Lohn für den Monat Juni auszuzahlen.
Im Jahr 2012 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte betreibt ein Audi-Autohaus und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Es ist ein Betriebsrat gebildet, dem der Kläger seit mehreren Jahren angehört. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrug zuletzt 37,5 Wochenstunden bei einem Stundenlohn von € 14,- brutto.
In der schriftlichen Mitteilung an die Belegschaft vom 13.10.2016 erklärte die Beklagte, angesichts der besorgniserregenden Entwicklung des Krankenstandes das Weihnachts- und Urlaubsgeld im Jahr 2016 bei über 60 Fehltagen und ab dem Jahr 2017 bei über 30 Fehltagen nicht mehr auszuzahlen.
Am 25.09.2018 erhielt der Kläger das folgende Schreiben der Beklagten:
"...
Dienstag, 25. September 2018
Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018
Sehr geehrter Herr A.,
in den vergangenen Monaten wurden mehrere Personalgespräche hinsichtlich Ihrer erbrachten Leistung geführt. In diesen brachten wir zum Ausdruck, dass die Leistung weit hinter dem Durchschnitt Ihrer Kollegen liegt.
Sogar die Leistungen der eingesetzten Servicetechniker übersteigt Ihre Leistung. Mit dem Antrag an den Betriebsrat für eine Lohnreduzierung Ihres Lohns, hofften wir, dass sich Ihre Leistung verbessert wird.
Eine Überprüfung am heutigen Tag den 25.09.2018 ergab leider das Gegenteil. Ihre erbrachte Leistung (Lohn/Materialerlöse) liegt bei 70347,-€ der Durchschnitt Ihres Teams liegt bei 93547,-€.
Mitarbeiter Ihrer Altersgruppe bringen einen Umsatz in Höhe von 191841,-€ per 25.09.2018.
Da Hinweise und Aussprachen zu keinem Ergebnis führen wird Ihr Stundenlohn ab den 01.09.2018 von 14,00 auf 13,00 € reduziert.
..."
Im Kalenderjahr 2018 war der Kläger an 37 Arbeitstagen arbeitsunfähig.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass das Schreiben vom 25.09.2018 keine Änderungskündigung im Sinne des § 2 KSchG beinhalte. Die Beklagte habe nicht das Arbeitsverhältnis als solches gekündigt, sondern den Kläger lediglich über eine rückwirkende Kürzung des Stundenlohns unterrichtet. Sollte das Schreiben dennoch als Änderungskündigung zu verstehen sein, nehme der Kläger vorsorglich das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Eine ordentliche Kündigung sei schon aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers im Betriebsrat nicht zulässig. Die Umsatzzahlen des Klägers seien naturgemäß niedriger als bei den KFZ-Mechanikern, da er im Wesentlichen mit der Fehlersuche befasst sei und nur in untergeordnetem Umfang Material einbaue. Zudem lasse die Beklagte die Zeit der Betriebsratsarbeit unberücksichtigt.
Der Kläger hat in den erstinstanzlich noch getrennt geführten Rechtsstreiten beantragt,
1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch das mit "Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018" überschriebene Schreiben vom 25.09.2018 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingunge...