Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Kündigung in der Probezeit. Anforderungen an die Einhaltung der gemäß §§ 623, 126 BGB erforderlichen Schriftform einer Kündigung. Wirksamkeit der Kündigung durch die stellvertretende Personalleiterin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber ist bei einer Wartezeitkündigung nicht verpflichtet, dem Personalrat Sozialdaten, die bei vernünftiger Betrachtung weder aus seiner Sicht, noch aus Sicht der Arbeitnehmervertretung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung eine Rolle spielen können, mitzuteilen.

2. Das Schriftformerfordernis nach §§ 623, 126 BGB setzt keine Leserlichkeit der Unterschrift voraus. Maßgeblich ist die Identifizierbarkeit der Unterschrift.

3. Im Falle der Übertragung der Kündigungsbefugnis auf eine stellvertretende Personalleiterin setzt der Ausschluss der Zurückweisung nach § 174 S. 2 BGB voraus, dass dem Erklärungsempfänger vor Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber die konkrete Person in der Funktion der Stellvertretung bekannt gegeben worden ist.

 

Normenkette

LPersVG Mecklenburg-Vorpommern § 62; LPersVG Mecklenburg-Vorpommern § 68; BGB §§ 623, 126, 174

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 16.03.2022; Aktenzeichen 3 Ca 193/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 16.03.2022 - 3 Ca 193/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung während der Probezeit.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.01.2021 als Abteilungsleiterin im Konzern-Rechnungswesen im Geschäftsbereich Finanzen und Controlling (Entgeltgruppe 13) zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 5.701,88 € beschäftigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dort sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Es besteht ein Personalrat.

Mit Schreiben vom 28.06.2021, der Klägerin zugegangen am 29.06.2021, kündigt die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.07.2021. Das Kündigungsschreiben selbst ist von Frau E. B. mit dem Zusatz "i. V." unterzeichnet worden. Die vorbenannte Mitarbeiterin ist bei der Beklagten als stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Personal tätig. Durch Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 08.10.2019 i. V. m. der Richtlinie Unterschriftenbefugnis der Beklagten vom 19.09.2019 ist Frau B. die Befugnis erteilt worden, u. a. Kündigungen des nichtwissenschaftlichen Personals vorzunehmen und zu unterzeichnen (Anlage B1, Bl. 48 ff. d. A.; Anlage B5, Bl. 86 - 138 d. A.). Die benannte Beschlussfassung ist im Umlaufverfahren erfolgt und durch den seinerzeitigen kaufmännischen Vorstand, Frau M. L. C. als Beschlussvorlage eingereicht worden. Die seinerzeitigen Vorstandsmitglieder der Beklagten haben der Beschlussvorlage im Umlaufverfahren am 01.10.2019, am 04.10.2019 sowie Frau L. C. und Herr H. am 08.10.2019 zugestimmt (Bl. 86 - 88 d. A.). Für den Geschäftsbereich Personal ist die Unterschriftsbefugnis für "Leiter/-in GB Personal oder stellv. Leiter/-in GB Personal" u. a. für Kündigungen des nichtwissenschaftlichen Personals festgelegt (Bl. 95 d. A.).

Mit Schreiben vom 11.06.2021 hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat um Zustimmung zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin während der Probezeit zum 31.07.2021 gebeten (Bl. 61 d. A.). Dem Anhörungsschreiben war eine weitergehende Begründung beigefügt (Bl. 62 f. d. A.). Der Personalrat teilte unter dem 22.06.2021 auf demselben Anhörungsformular zunächst ohne Begründung mit, dass der Kündigung nicht zugestimmt werde. Mit gesondertem Schreiben vom 25.06.2021 begründete der Personalrat die Zustimmungsverweigerung (Bl. 64 f. d. A.).

Mit Schreiben vom 02.07.2021 hat die Klägerin die Kündigung zurückgewiesen (Bl. 8 d. A.). Mit Schriftsatz vom 06.07.2021 - bei dem Arbeitsgericht eingegangen am 07.07.2021 - hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben und erstinstanzlich diesbezüglich die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Mit Urteil vom 16.03.2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Kündigung sei nicht gem. §§ 623, 126 Abs. 1, 125 BGB formunwirksam. Der unter der Kündigungserklärung enthaltende Schriftzug erfülle die Anforderungen an eine formwirksame Unterschrift. Eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 180 S. 1 BGB scheide aus, da die Beklagte im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung durch die Mitarbeiterin B. rechtswirksam vertreten worden sei. Auch die Zurückweisung der Kündigung durch die Klägerin nach §§ 174 S. 1 BGB führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Zurückweisung hier nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe für die Kammer fest, dass die Klägerin über die Position als stellv. Personall...

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