Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungslast. Bestreiten mit Nichtwissen. Ausforschungsbeweis. Versetzung. Personalrat. Unterrichtung. Zustimmungsfiktion. Unwirksame Versetzung einer Lehrkraft einer staatlichen Schule in Mecklenburg-Vorpommern an eine andere Schule innerhalb des Schulamts. Unwirksame Versetzung eines Lehrers bei fehlender Zustimmung des Personalrats. unsubstantiierte Darlegungen des Arbeitgebers zum Überhang an Lehrkräften im betroffenen Unterrichtsfach

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bestreitet der klagende Arbeitnehmer die Behauptung des Arbeitgebers, die Versetzung sei geboten, weil für eines der klägerischen Unterrichtsfächer ein Überhang an Lehrkräften an seiner bisherigen Stammschule im Umfang von 54 Unterrichtswochenstunden gegeben sei, muss das beklagte Land diejenigen Umständen in den Rechtsstreit einführen, die die Folgerung tragen, dass der Überhang im behaupteten Umfang besteht. Der Eintritt in die Beweisaufnahme ohne Kenntnis der Tatsachen, aus denen das beklagte Land seine Folgerungen gezogen hat, kommt einem Ausforschungsbeweis gleich.

2. Eine ohne Zustimmung des Personalrats ausgesprochene Versetzung ist unwirksam. Dies folgt aus dem Zweck des Beteiligungsrechts, mit dem in erster Linie der von der Personalmaßnahme betroffene Arbeitnehmer geschützt werden soll, in zweiter Linie aber auch die Interessen der Dienststellenangehörigen berücksichtigt werden sollen (BAG 15. Januar 1991 - 1 AZR 105/90 - BAGE 67, 35 = AP Nr. 4 zu § 4 BPersVG = PersR 1991, 307; BAG vom 2. Juni 1987 - 1 AZR 645/85). Da das Landespersonalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern für die Versetzung die Mitbestimmung vorsieht, gilt diese Rechtsfolge ohne weiteres auch bei einer Maßnahme, für die zwar eine Beteiligung eingeleitet wurde, die Zustimmung des Personalrats jedoch nicht vorliegt. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits für die Maßnahme des Ausspruchs einer Kündigung so entschieden, wenn diese nach Landesrecht der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - AP Nr. 162 zu § 102 BetrVG = PersR 2010, 305). Dieser Rechtsgedanke ist auf die Personalmaßnahme der Versetzung, die nach dem Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, übertragbar.

3. Selbst dann, wenn der Personalrat einem Antrag der Dienststelle auf Zustimmung zur Versetzung weder zustimmt noch ihn ablehnt, sondern ihn durch Beschluss "verfristen" lassen will, liegt die notwendige Zustimmung zu der geplanten Maßnahme nicht vor Ablauf der Frist für die Zustimmungsfiktion aus § 62 Absatz 2 Satz 4 LPersVG MV vor (wie BAG 28. Januar 2010 aaO.).

4. Eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für die personelle Maßnahme des Arbeitgebers maßgebenden Gründe ist wie eine Nichtinformation des der Belegschaftsvertretung zu behandeln (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - BAGE 78, 39 = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972 = DB 1995, 477 zu dem insoweit vergleichbaren Fall der Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG an einer Kündigung; vgl. auch BAG Urteil vom 31. August 1989 - 2 AZR 453/88 - AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; vgl. zu einem Kündigungsfall auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 3. Februar 2011 - 1 Sa 232/10 - NZA-RR 2011, 461). Sie führt zur Unwirksamkeit der Beteiligung der Belegschaftsvertretung. Denn der Arbeitgeber setzt die Belegschaftsvertretung dadurch außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die personelle Maßnahme zu machen. Damit ist es dieser nicht mehr möglich, ihrer gesetzlichen Aufgabe, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, nachzukommen.

 

Normenkette

LPersVG MV § 62; LPersVG MV § 68; BetrVG § 102; LPersVG MV § 62 Abs. 1; LPersVG MV § 62 Abs. 2 S. 3; LPersVG MV § 62 Abs. 2 S. 4; LPersVG MV § 68 Abs. 1 Nr. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Neubrandenburg (Entscheidung vom 06.04.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1026/09)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers an eine andere Schule.

Der 1967 geborene Kläger ist seit 1994 im Schuldienst des beklagten Landes tätig. Er besitzt die Lehrbefähigung für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Stammdienststelle des Klägers ist das Greifen-Gymnasium in U..

Bereits im Schuljahr 2008/2009 wurde der Kläger ohne seine Zustimmung an die Regionale Schule L. für ein Schuljahr abgeordnet. Gegen diese Maßnahme hatte sich der Kläger gerichtlich zur Wehr gesetzt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Abordnung für unwirksam angesehen, weil sie den Anspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung verletzt habe (LAG Mecklenburg-Vorpommern 20. April 2010 - 5 Sa 214/09 -). Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil aufgehoben und die gegen die Abordnung erhobene Klage abgewiesen (BAG 17. August 2011 - 10 AZR 322/10 - NZA-RR 2012, 106).

Auch für das Schuljahr 2009/2010 ist das zust...

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