Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 11.11.1991; Aktenzeichen 22 Ca 11373/91)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 11.11.1991 – 22 Ca 11373/91 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen mit etwa 400 Beschäftigten, seit 4 1/2 Jahren als Arbeiter beschäftigt. Die Beklagte kündigte ihm mit am gleichen Tage zur Post gegebenem, an die … Anschrift des Klägers gerichtetem und dort zugestelltem Schreiben vom 19.08.1991 ordentlich zum 03.09.1991.

Der Kläger hat mit seiner am 20.09.1991 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage die soziale Rechtfertigung der Kündigung gerügt. Er hat behauptet, er sei am während seines Urlaubs am 14.08.1991 nach Belgrad gefahren, erst am Morgen des 09.09.1991 nach … zurückgekehrt und habe erst dann von der Kündigung Kenntnis erlangt. Die Richtigkeit dieser Behauptung hat er an Eides Statt versichert. Der Kläger macht geltend, die Kündigung sei ihm erst am 09.09.1991 zugegangen. Sofern er wegen seines Aufenthalts in Jugoslawien die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG versäumt haben solle, treffe ihn daran kein Verschulden.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.08.1991 zum 03.09.1991 nicht aufgelöst worden ist.
  2. Hilfsweise:

    Die Kündigungsklage wird – sofern sie verspätet sein sollte – nachträglich zugelassen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage nicht nachträglich zuzulassen, sondern abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei, da der Kläger die Ausschlußfrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt habe, sozial gerechtfertigt. Nach den üblichen Postlaufzeiten sei davon auszugehen, daß ihr Kündigungsschreiben dem Kläger spätestens am 21.08.1991 zugegangen sei. Eine nachträgliche Zulassung der Klage komme nicht in Betracht, da der Kläger nach seiner Rückkunft aus Jugoslawien genügend Zeit gehabt habe, die Klage noch innerhalb der Ausschlußfrist beim Arbeitsgericht einzureichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nachträglich zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht und mit unzutreffenden Erwägungen nachträglich zugelassen. Der Kläger sei bei Anwendung aller zumutbaren Sorgfalt nicht gehindert gewesen, die Klage rechtzeitig einzureichen. Da sie das Kündigungsschreiben am 19.08.1991 zur Post gegeben habe, könne mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, daß die Kündigung dem Kläger spätestens am 21.08.1991 zugegangen sei. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG habe somit am 11.09.1991 geendet. Da der Kläger nach seinen Angaben am 09.09.1991 von der Kündigung Kenntnis erlangt habe, hätte er bei gehöriger Anspannung und Sorgfalt die Klage noch innerhalb der offenen Frist erheben können. Im übrigen wird auf die Beschwerde der Beklagten vom 13.01.1992 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht nachträglich zugelassen.

Der Kläger hat die freiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt. Das Kündigungsschreiben vom 19.08.1991 ist ihm, obwohl er sich damals in Urlaub in Jugoslawien befand, gemäß § 130 Abs. 1 BGB an dem Tag zugegangen, an dem es von dem Postbediensteten in den Briefkasten seiner Münchner Wohnung eingeworfen worden ist (BAG vom 16.03.1988 – 7 AZR 587/87 und vom 02.03.1989 – 2 AZR 275/88 = AP Nr. 16 und 17 zu § 130 BGB). Entsprechend den bekannten Postlaufzeiten ist anzunehmen, daß dies entweder am 20. oder am 21.08.1991 der Fall war. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG Satz 1 lief daher entweder am 10. oder am 11.09.1991 ab. Der Kläger hat diese Frist versäumt; denn er hat seine Kündigungsschutzklage erst am 20.09.1991 beim Arbeitsgericht eingereicht.

Die Klage ist nachträglich zuzulassen. War ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben, so ist nach § 5 KSchG auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.

Der Kläger hat glaubhaft gemacht, daß er von der Kündigung erst nach seiner Rückkehr aus Jugoslawien am Morgen des 09.09.1991 erfahren hat. Damit blieb ihm zur Wahrung der Ausschlußfrist des § 4 KSchG – je nachdem, an welchem Tag das Kündigungsschreiben in den Briefkasten gelangt ist – nur noch eine Zeit von nicht ganz zwei oder drei Tagen. Da die Beklagte für die Zugangszeit die Beweislast trifft und offen ist, ob das Schreiben am 20. oder 21.08.1991 in den Briefkasten eingeworfen worden ist, ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, daß dies schon am 20.08.1991 geschehen ist. Dann standen dem Kläger bis zum Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist noch nicht ganz zwei Tage zur Verfügung. Diese Zeit war für die Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist ...

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