Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung und -entschädigung im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Eine richtlinienkonforme Auslegung der Öffnungsklausel in § 13 Abs. 2 Satz 1 BUrlG ist nicht möglich (im Anschluss an BAG 17.11.2009 – 9 AZR 844/08).
2. Entsprechendes gilt für eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des § 13 Abs. 2 Satz 1 BUrlG.
3. Die tarifvertragliche Urlaubsregelung für gewerbliche Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern stellt ein fein austariertes beitragsfinanziertes System dar, das keine planwidrige Regelungslücke enthält.
Normenkette
Urlaubsregelung für gewerbliche Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern §§ 5, 7-9; BUrlG §§ 13, 7; Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG; GG Art. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 10.09.2010; Aktenzeichen 31 Ca 2286/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.09.2010 – 31 Ca 2286/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte – eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe – geltend gemachte Ansprüche auf Urlaubsabgeltung bzw. Entschädigung für nicht genommenen Urlaub.
Der Kläger war bis 31.05.2009 bei einem Bauunternehmen als Kranführer beschäftigt. Er erlitt am 04.11.2005 einen Arbeitsunfall und war bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auf Grund ordentlicher Arbeitgeberkündigung zum 31.05.2009 (vgl. Ziffer 1. des gerichtlichen Vergleichs vom 25.11.2009 im Verfahren vor dem Arbeitsgericht München – 4 Ca 3628/09) überwiegend infolge Erkrankung arbeitsunfähig. Von seiner Krankenkasse bezog er als Entgeltersatzleistung für die Zeiträume 01.01.2006 bis 07.05.2006, 15.05.2006 bis 07.07.2006, 20.11.2006 bis 07.10.2007 sowie 29.11.2007 bis über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Verletztengeld. In den dazwischen liegenden Zeiträumen vom 08.05.2006 bis 14.05.2006, 08.07.2006 bis 19.11.2006 und 08.10.2007 bis 28.11.2006 fanden Wiedereingliederungsmaßnahmen („Arbeitsversuche”) statt.
Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in Bayern haben mit Gründung der Beklagten im Jahr 1949 eine branchenspezifische Lösung im Sinne eines beitragsfinanzierten Urlaubsvergütungssystems geschaffen, um den negativen Folgen des – vergleichsweise häufig vorkommenden Arbeitgeberwechsels im Verlauf des Urlaubsjahres auf die Arbeitnehmer zu begegnen. Hierzu melden die jeweiligen Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers bei der Beklagten und zahlen monatlich Beiträge auf Basis des individuellen Bruttolohns jedes einzelnen Beschäftigten an die Beklagte zur Finanzierung der späteren Urlaubsgewährung. Will der Arbeitnehmer in Urlaub gehen, stellt er beim jeweiligen Arbeitgeber einen Urlaubsantrag. Der Arbeitgeber klärt mit der Beklagten ab, ob ein ausreichender Urlaubsanspruch vorhanden ist. Wenn dies der Fall ist, gewährt der jeweilige Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub und zahlt an ihn das Urlaubsentgelt nach den tariflichen Regelungen aus. Die Beklagte erstattet dann dem Arbeitgeber das verauslagte Urlaubsentgelt. Wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus bestimmten, tariflich geregelten Gründen nicht in natura nehmen kann, wandelt sich der Anspruch auf Urlaubsentgelt in einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung bzw. Urlaubsentschädigung um. Diese Ansprüche sind unmittelbar gegenüber der Beklagen geltend zu machen. Die geschilderte Urlaubsregelung der Tarifvertragsparteien hat somit zur Folge, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers so zu erfüllen sind, als sei er dauernd nur bei dem jeweils urlaubsgewährenden Arbeitgeber beschäftigt gewesen. Voraussetzung für die Ansprüche – auch – auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsentschädigung ist, dass überhaupt Beiträge von den jeweiligen Arbeitgebern für den Arbeitnehmer an die Beklagte eingezahlt wurden.
Dies war hinsichtlich des Klägers in Bezug auf die Jahre 2006 und 2007, nicht aber für die Jahre 2008 und 2009 der Fall.
Die Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern vom 21.11.1983 in der Fassung vom 20.08.2007, gültig seit 01.01.2008, enthält u. a. folgende Bestimmungen:
„§ 5 Urlaubsvergütung
1. Die Urlaubsvergütung für den Urlaub gemäß § 2 beträgt
- für den vor dem 01. Januar 2008 entstandenen Urlaub 14,82 v. H. (…) des Bruttolohnes.(…)
- für den nach dem 31.Dezember 2007 entstandenen Urlaub 14,25 v. H. (…) des Bruttolohnes. (…)
§ 7 Urlaubsabgeltung
1. Der Arbeitnehmer hat nur dann einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe der Urlaubsvergütung, wenn er (…) länger als drei Monate nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu einem von diesem Tarifvertrag erfassten Betrieb gestanden hat und berufsunfähig oder auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, seinen bisherigen Beruf im Baugewerbe auszuüben (…).
2. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung richtet sich gegen die Kasse. Dieser Anspruch ist nur zu erfüllen, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind (…).”
§ 8 Verfallfristen
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