Entscheidungsstichwort (Thema)
nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage bei Zugang der Kündigung während einer krankheitsbedingten Ortsabwesenheit
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer, der während einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit erkrankt und deshalb nicht rechtzeitig an seinen Wohnort zurückkehrt, hat grundsätzlich sicherzustellen, dass ihn rechtsgeschäftliche Erklärungen erreichen, die ihm nach Urlaubsende an seinem Wohnort zugehen. Die Versäumung der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG ist nur dann unverschuldet, wenn ihm entsprechende Vorkehrungen tatsächlich oder persönlich nicht möglich oder nicht zumutbar waren (in Abgrenzung zu LAG Berlin 23.08.2001 – 7 Ta 1587/01 – NZA-RR 2002, 355).
Normenkette
KSchG § 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stade (Beschluss vom 19.06.2002; Aktenzeichen 2 Ca 193/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stade vom 19.06.2002 – 2 Ca 193/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschlusses wird auf 2.325,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage.
Der Kläger war seit dem 28.04.2000 als Elektriker bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.550,92 EUR beschäftigt.
In der Zeit von Ende Dezember 2001 bis zum 31.01.2001 verbrachte der Kläger den von der Beklagten gewährten Erholungsurlaub bei seiner Tochter in seinem Heimatland …. Nach Ende des Urlaubs nahm der Kläger die Arbeit nicht wieder auf.
Mit Schreiben vom 14.02.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen unentschuldigten Fehlens fristlos und hilfsweise fristgerecht. Das Kündigungsschreiben wurde der Ehefrau des Klägers durch Boten in einem verschlossenen Umschlag am 14.02.2002 übergeben.
Der Kläger behauptet, er sei am 12.01.2002 in … an einem dort grasierenden Virus arbeitsunfähig erkrankt. Der behandelnde Arzt habe ihm eine alleinige Rückfahrt mit dem PKW nach Deutschland untersagt, so dass seine in … lebende Tochter sich habe Urlaub nehmen müssen, um ihn am 16.03.2002 zurückzufahren. Nach der Rückkehr habe er erstmals von dem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangt, das sich in einem verschlossenen Briefumschlag befunden habe. Seine Ehefrau sei nicht bevollmächtigt gewesen, für ihn eingehende Post zu öffnen. Die Richtigkeit dieses Sachvortrages haben neben dem Kläger dessen Ehefrau und Tochter eidesstattlich versichert. Auf die mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung überreichten Erklärungen wird inhaltlich Bezug genommen.
Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 21.05.2002 hat der Kläger darüberhinaus vorgetragen, er habe seiner in Deutschland lebenden Schwiegertochter die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines … Arztes zugesandt, die dieses Attest am 31.01.2002 per Telefax an die Beklagte weitergeleitet habe. Bereits vorher habe sie die Beklagte von der Erkrankung in Kenntnis gesetzt. Auf die eidesstattliche Versicherung der Schwiegertochter vom 03.06.2002 nimmt das Gericht ebenfalls Bezug.
Der Kläger hat beantragt,
die verspätete Klage nachträglich zuzulassen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen zurückgewiesen:
Bei Eingang der Klage am 20.03.2002 sei die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG abgelaufen gewesen. Die Kündigung sei dem Kläger am 14.02.2002 durch Übergabe des Schreibens an seine Ehefrau zugegangen. Es sei ausreichend, dass die Erklärung in verkehrsüblicherweise Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt sei und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestanden habe, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen.
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei aber unbegründet, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht habe, dass er trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert gewesen sei, die Klage fristgerecht zu erheben. Der Kläger habe mit dem Zugang eines Kündigungsschreibens rechnen müssen, nachdem er seine Arbeit nach Ende des Urlaubs am 31.01.2001 nicht wieder aufgenommen und seine Arbeitsunfähigkeit auch nicht mitgeteilt habe. Die entgegenstehende Behauptung des Klägers, er habe die Beklagte über seine Schwiegertochter unverzüglich informiert, sei nicht fristgerecht glaubhaft gemacht, sondern erstmals mit am 22.05.2002 zugegangenem Schriftsatz vorgetragen worden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG müsse bereits der Antrag auf nachträgliche Zulassung die ihn begründenden Tatsachen sowie Mittel der Glaubhaftmachung beinhalten. Gemäß § 5 Abs. 3 KSchG sei der Antrag innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Dies sei nach Rückkehr des Klägers am 16.03.2002 der Fall gewesen, so dass die Frist für weiteren Vortrag am 02.04.2002 abgelaufen sei.
Der Beschluss ist dem Kläger am 24.06.2002 zugestellt worden. Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 05.07.2002 verfolgt er seinen Antrag nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 1...