Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Keine Auswirkungen der DSGVO auf die in Papierform geführte Personalakte
Leitsatz (amtlich)
1.Es wird an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festgehalten, wonach der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht besteht
2. Datenschutzrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit der DSGVO führen jedenfalls bei in Papierform geführten Personalakte zu keiner Änderung der Rechtslage (entgegen LAG Sachen-Anhalt vom 23.11.2018, 5 Sa 7/17)
Leitsatz (redaktionell)
Die Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung setzt voraus, dass Tatsachen vorzutragen und ggfs. zu beweisen sind, aus denen sich Schlussfolgerungen auf eine inhaltliche Unrichtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ziehen lassen. Bloße subjektiv gefärbte Vermutungen reichen nicht aus.
Normenkette
DSGVO Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6, Art. 17 Abs. 1 Buchst. a), Art. 88; BDSG §§ 26, 35 Abs. 1, 3; EFZG § 5; ZPO § 138 Abs. 3; BGB § 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 02.10.2020; Aktenzeichen 6 Ca 31/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover - 6 Ca 31/20 - vom 02.10.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover - 6 Ca 31/20 - vom 02.10.2020 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung trägt zu 57 % die Klägerin, zu 43 % die Beklagte.
4. Die Revision wird bezüglich der Klaganträge zu 2. und 3. (Abmahnungen) zugelassen.
5. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte sowie Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Urteil vom 02.10.2020 die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 00.00.2020 festgestellt und im Übrigen die Klage und Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne die außerordentliche Kündigung nicht auf den Vorwurf des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit stützen. Zwar sei das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit bzw. unentschuldigtes Fehlen "an sich" als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Der Beklagten sei es jedenfalls nicht gelungen, begründete Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung für den Zeitraum vom 00.00. - 00.00.2020 aufzuzeigen. Bezüglich der behaupteten Äußerung des Zeugen F., die Klägerin habe erklärt, nicht persönlich beim Arzt gewesen zu sein, habe die Beklagte nicht konkret dargelegt, wann und unter welchen Umständen die Klägerin eine derartige Äußerung getätigt haben sollte. Den Beweisantritt der Beklagten sei deshalb nicht nachzugehen gewesen, es habe sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt. Die Kammer sei gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass die Klägerin sich persönlich bei der Ärztin vorgestellt habe. Dem Sachvortrag der Parteien seien keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Ärztin entgegen ihrer ärztlichen Verpflichtung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstellte, ohne dass sich die Klägerin persönlich in der Arztpraxis vorgestellt hätte. Allein die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe derartiges gegenüber Herrn F. behauptet, sei nach Ansicht der Kammer nicht ausreichend. Es sei genauso möglich, dass jemand so etwas äußere, um sich gegenüber einer anderen Person "wichtig zu machen".
Der Beweis der Arbeitsunfähigkeit sei auch nicht durch die Behauptung erschüttert, die Klägerin habe sich beim Verlassen des Büros gegen 17:00 Uhr augenscheinlich bei bester Gesundheit erfreut. Es sei jedoch nicht jede Erkrankung einem Arbeitnehmer anzusehen, z.B. psychische Erkrankungen. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 der geltenden Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie sei auch eine Erstellung der Bescheinigung bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat zulässig.
Der Beweis wird der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei auch nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin nicht zum Termin beim medizinischen Dienst am 00.00.2020 erschienen sei. Die Klägerin habe dargelegt, dass ihr das Schreiben des medizinischen Dienstes erst am 00.00.2020 zugegangen sei. Dem sei die Beklagte nicht entgegengetreten. Das Vorbringen der Klägerin gelte insoweit als zugestanden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO. Gleiches gelte für die Behauptung der Klägerin, sie habe am 00.00.2020 mit Rücksprache mit der zuständigen Sachbearbeiterin Frau Drews beim medizinischen Dienst gehalten, der Klägerin mitgeteilt habe, die Beklagte wünsche keinen zweiten Untersuchungstermin.
Die Beklagte könne die Kündigung auch nicht auf den Vorwurf des Verstoßes gegen ihre Mitwirkungspflicht stützen. Es sei zwar un...