Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönlichkeitsrechtsverletzung. Erfüllungsgehilfe. Zurechnung einer Äußerung eines Kollegen an den Arbeitgeber gemäß § 278 BGB
Leitsatz (amtlich)
1) Nach § 278 BGB hat die Beklagte ein Verschulden eines Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zu vertreten. Dabei ist Erfüllungsgehilfe diejenige Person, derer sich der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient. Der mit der Erfüllung einer Verbindlichkeit beauftragte Arbeitnehmer muss in dem Pflichtenkreis des Schuldners, also des Arbeitgebers tätig werden, wobei ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der Aufgabe, die dem Erfüllungsgehilfen zugewiesen ist und der schuldhaften Handlung bestehen muss (BAG vom 25.10.2007 a. a. O. Rn. 97 m. w. N. und BGH vom 30.09.2003, XI ZR 232/02, NJW-RR 2004, 45 bis 46 Rn. 32 und Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Auflage § 278 Rn. 15 und 20 m. w. N.). Der erforderliche, innere sachliche Zusammenhang der schuldhaften Handlung mit der zugewiesenen Aufgabe besteht, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert hat. Eine solche Stellung hat immer der Vorgesetzte eines Mitarbeiters inne, normalerweise aber nicht ein sonstiger Arbeitnehmer, der einen Arbeitskollegen schädigt. Dabei ist der Begriff des Erfüllungsgehilfen nicht auf den vorgesetzten Mitarbeiter zu beschränken, sondern auf den Vorgesetzten und Weisungsbefugten.
2) Wer einen Mitarbeiter, der normalerweise nicht Vorgesetzter ist, mit der Einarbeitung eines Kollegen über einen nicht unerheblichen Zeitraum beauftragt, haftet für dessen Verhalten gegenüber dem einzuarbeitenden Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe.
Normenkette
BGB §§ 280, 278, 253
Verfahrensgang
ArbG Nienburg (Urteil vom 11.09.2008; Aktenzeichen 1 Ca 677/07) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 11.09.2008, 1 Ca 677/07, werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung haben die Beklagte zu 2/3, der Kläger zu 1/3 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Der am 00.00.1958 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit 25.05.1980 beschäftigt. Seine durchschnittliche Vergütung betrug zuletzt 2.200,00 Euro brutto. Der Kläger war von 1983 bis ca. 1992 im Bereich der Stuhlmontage, danach in der Endmontage in der Tischlerei und seit 01.07.2005 in der Möbelmontage beschäftigt. Der Kläger ist seit 2001 Mitglied des Betriebsrates. Die Beklagte schloss die Möbelfertigung zum 31.12.2006.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 26.09.2006 zum 30.04.2007 auf Grund der geplanten Stilllegung der Möbelfertigung zum 31.12.2006. Der Kläger legte gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage ein, die beim Arbeitsgericht Nienburg unter dem Aktenzeichen 1 Ca 608/06 geführt wurde. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses wurde u. a. eingewandt, dass der Kläger als Betriebsratsmitglied nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG gekündigt werden könne und ggf. an seiner Stelle ein anderer Arbeitnehmer gekündigt werden müsste. Dementsprechend erhielt am 10.01.2007 der Mitarbeiter J. die Mitteilung, dass sein Arbeitsverhältnis gekündigt werde, weil der Kläger als Betriebsratsmitglied auf seinem Arbeitsplatz beschäftigt werden müsse.
Der Kläger war bis zum 12.01.2007 urlaubsbedingt nicht im Betrieb. Am 15.01.2007 soll der Zeuge J. den Kläger nach Darstellung des Klägers beleidigt und bedroht haben. Der Kläger war vom 15.01. bis 22.01.2007 nur zu Aufräumarbeiten eingesetzt, die es gemeinsam mit dem ebenfalls gekündigten Betriebsratsmitglied B.. Am 01.02.2007 gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Berufung wurde nicht eingelegt. Insgesamt setzte die Beklagte den Kläger über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen zu Aufräum- und Reinigungsarbeiten in einer Halle ein. Die Art der Tätigkeiten und die Umstände für die Tätigkeitsausführung sind zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Am 07.03.2007 betraten der Gesellschafter R. und der Geschäftsführer N. das Betriebsratsbüro. Einzelheiten sind auch hier streitig. Der Kläger selbst war an diesem Tage nicht im Betriebsratsbüro. Ein mit Schreiben vom 19.04.2007 eingeleitetes Strafverfahren gegen die Beklagte gemäß § 119 BetrVG ist in der Folgezeit eingestellt worden.
Der Zeuge J. hatte in der Folgezeit den Kläger auf seinem Arbeitsplatz einzuarbeiten. Dies beinhaltete auch, dass beide gemeinsam an einem Arbeitstisch eingesetzt waren. Wann die Einarbeitung genau begann, ist unklar. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass sie nicht sofort nach Erhalt der Kündigung durch Herrn J. begann. Unstreitig ist auch, dass die Einarbeitung auf jeden Fall im März 2007 stattfand. Ausweislich eines Schreibens des Beklagtenvertreters vom 01.03.2007 wird die Einarbeitung angekündigt (Bl. 18 d. A.). Der Kläger war vo...