Entscheidungsstichwort (Thema)
Falsche Reisekostenabrechnung. Zeuge vom Hörensagen
Leitsatz (amtlich)
1) Die fehlerhafte Beantragung ist zwar eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Kann der Vorsatz für die falsche Abrechnung jedoch nicht nachgewiesen werden, ist eine vorherige Abmahnung erforderlich.
2) Macht der Arbeitnehmer geltend, dass er von der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ausgegangen ist, kann Verschulden zu verneinen sein, weil ein nicht vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt. Im Rahmen der Beweislast hat der Arbeitgeber auch Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe zu widerlegen, auf die sich der Arbeitnehmer beruft.
3) Auch die Vernehmung eines Zeugen, der aus eigener Kenntnis nur Bekundungen Dritter über entscheidungserhebliche Tatsachsen wiedergeben kann, ist grundsätzlich zulässig. Der Zeuge vom Hörensagen bekundet ein Indiz, dem nicht in jedem Fall von vornherein jede Bedeutung für die Beweiswürdigung abgesprochen werden kann, auch wenn sein Beweiswert in der Regel eher gering ist. Der Beweiswert derartiger Bekundigungen ist besonders kritisch zu überprüfen. In der Regel genügen die Angaben des Zeugen vom Hörensagen nicht, wenn sie nicht durch andere, nach der Überzeugung des Fachgerichts wichtige Gesichtspunkte bestätigt werden.
Normenkette
BGB § 626; ZPO § 286
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 04.12.2006; Aktenzeichen 2 Ca 195/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts A-Stadt – 2 Ca 195/06 – vom 04.12.2006 und 18.01.2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund fristloser Kündigung seitens der Beklagten sowie hilfsweise erklärter ordentlicher Kündigung und Weiterbeschäftigung.
Der am 00.00.1967 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 01.04.1997 bei der Beklagten als Elektriker für zuletzt 2.895,36 EUR brutto monatlich beschäftigt. Sein Einsatz erfolgte beim M.Kommando A-Stadt; personalbearbeitende Dienststelle ist das Dienstleistungszentrum A-Stadt. Die Tätigkeit des Klägers erfolgte auf dem Wohnboot „A.” in der Entgeltgruppe 6. Die Besatzung der „A.” bestand neben dem Kläger aus sechs weiteren Arbeitnehmern, nämlich dem Wohnbootleiter A. und den weiteren Arbeitnehmern W., P., B., D., F.. Der Wohnbootbesatzung stand für Heimfahrten ein Dienst-Kfz. zur Verfügung, welches auch der Kläger für Heimfahrten nutzen durfte und nutzte.
Liegeort der „A.” war ab Mitte 2004 bis Dezember 2005 B-Stadt, danach – von Januar bis März 2006 – C-Stadt. Der Kläger führte verschiedene Heimfahrten und Rückfahrten mit dem Dienst-Kfz. durch. Der Kläger war berechtigt, eine Reisebeihilfe zu beantragen und Trennungsgeld zu verlangen. Nach § 5 Trennungsgeldverordnung (TGV) hatte die Beklagte für jeden halben Monat Liegezeit als Reisebeihilfe die entstandenen notwendigen Fahrauslagen bis zur Höhe der Kosten der für den Berechtigten billigsten Fahrkarte vom Dienstort zum bisherigen Wohnort zu tragen.
Der Kläger beantragte für den 04. und 05. Oktober 2005 eine Reisebeihilfe für zwei Strecken á 116 km und erhielt hierfür eine Reisebeihilfe in Höhe von 29,10 EUR (je Strecke 14,55 EUR). Tatsächlich hatte der Kläger Wachdienst.
Für den 11. und 14.11.2005 beantragte der Kläger eine Reisebeihilfe für eine Reise von B-Stadt nach A-Stadt und zurück, wofür er wiederum eine Beihilfe in Höhe von 29,10 EUR erhielt. Der Kläger nutzte zumindest während der Hinfahrt den Dienst-PKW des Wohnboots und fuhr nicht mit seinem eigenen PKW.
Dasselbe ereignete sich für den 25. und 28.11.2005, wobei der Kläger für beide Fahrten den Dienst-PKW nutzte. Er erhielt auf Grund seines Antrags eine Reisebeihilfe von 29,10 EUR.
Am 06. und 08. Januar 2006 beantragte der Kläger – die „A.” lag inzwischen in C-Stadt – für eine Heim- und Rückfahrt eine Reisebeihilfe für eine Strecke von jeweils 374 km, obwohl er mit dem Dienst-PKW fuhr. Dasselbe gilt für eine Heimfahrt am 20.01.2006 und Rückfahrt am 29.01.2006 sowie Fahrten am 03. bzw. 05.02.2006. Für die von C-Stadt aus beantragten Reisebeihilfen erfolgte keine Auszahlung, da die Beklagte zwischenzeitlich Ermittlungen über die Rechtmäßigkeit entsprechender Anträge und Beihilfen aufgenommen hatte.
Wie der Kläger verfuhren der Wohnbootleiter E. und der Arbeitnehmer W.. Beide Arbeitsverhältnisse wurden seitens der Beklagten ebenfalls gekündigt. Bei den Arbeitnehmern D. und F. stellte die Beklagte keine Unregelmäßigkeiten fest. Bei den Arbeitnehmern P. und B. sprach die Beklagte eine Abmahnung aus, da – so die Beklagte – beide lediglich für zwei Fahrten unberechtigte Reisebeihilfen beantragt hätten und ein systematischer Missbrauch nicht zu erkennen sei.
Den Besatzungsmitgliedern eines weiteren Wohnboots der Beklagten, nämlich der „W.” wurden ebenfalls keine Kündigungen ausgesprochen. Nach dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren haben drei der sechs Besatzungsmitglieder keinen unrichtigen Re...